Harvey Weinstein: "Fassungslos", "Entsetzt" – so reagiert Hollywood auf Weinstein-Urteilsaufhebung
Die historische Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen ist aufgehoben. Der Fall wird neu aufgerollt. Das löst Entsetzen aus.
Eigentlich war der Fall erledigt – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor vier Jahren wurde der ehemalige Filmproduzent Harvey Weinstein zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. Später kamen aus einem anderen Verfahren nochmal 16 Jahre hinzu. Es stand lange Zeit nicht annähernd zur Debatte, dass Weinstein das Gefängnis je wieder verlässt.
Der heute 72-Jährige wirkte damals, vielleicht zur Show, sehr gebrechlich und sichtlich angeschlagen – und die Strafen damit für ihn zu lang, um sie zu überleben. Zumindest das erste Urteil wird nun aber neu verhandelt. Im Gefängnis bleibt er lediglich aufgrund der Verurteilung in dem zweiten Prozess aus Kalifornien. Im Prinzip ändert sich also erst einmal nichts – aber die Aufhebung des ersten Urteils löst dennoch weltweites Entsetzen aus. Vor allem in der Filmbranche.
Neuverhandlung im Fall Harvey Weinstein stößt auf Unverständnis
Hollywoodstar Ashley Judd, die 2017 als erste Anschuldigungen gegen Weinstein erhob, sprach mit der "New York Times". Sie erklärte "Das ist unfair gegenüber den Betroffenen. Wir leben immer noch in unserer Wahrheit. Und wir wissen, was passiert ist."
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Auch Oscarpreisträgerin Mira Sorvino hatte Weinstein der sexuellen Belästigung bezichtigt. In einem Statement auf X, vormals Twitter, schrieb sie: "Entsetzt [...]. Seit wann erlauben Gerichte nicht, dass Beweise für frühere schlimme Taten zugelassen werden?"
Zu den Frauen, die ebenfalls mit der "New York Times" sprachen, gehört auch Schauspielerin Katherine Kendall. Sie wird mit den Worten zitiert: "Es ist eine schreckliche Erinnerung daran, dass die Opfer sexueller Übergriffe einfach keine Gerechtigkeit bekommen. Ich fühle mich im Moment vom Justizsystem völlig im Stich gelassen. Ich bin irgendwie fassungslos."
Ähnliches hört man von Model Ambra Battilana Gutierrez. Sie hatte Weinstein beschuldigt, sie an der Brust berührt und seine Hand unter ihren Rock gesteckt zu haben. Sie erklärt: "Wenn die Staatsanwaltschaft meinen Fall 2015 ernst genommen hätte, wären wir jetzt nicht hier. Dies ist ein andauerndes Versagen des Justizsystems – und der Gerichte –, Überlebende ernst zu nehmen und unsere Interessen zu schützen."
Chancen für Täter, bleibende Schäden für Opfer
Sarah Ann Masse, eine Schauspielerin, die Weinstein im Jahr 2017 beschuldigte, sie sexuell missbraucht zu haben, sagte: "Die Täter erhalten eine Chance nach der anderen, in ihr 'normales Leben' zurückzukehren, während die Überlebenden weiterhin unter mangelnder Unterstützung, anhaltenden Traumata, chronischen Krankheiten, psychischen Problemen, wirtschaftlichen Schäden und verschiedenen Formen von Vergeltung leiden."
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Caitlin Dulany, die Weinstein ebenfalls der sexuellen Nötigung beschuldigt, sprach mit dem "Rolling Stone". Sie sei "mit dieser Verrücktheit" aufgewacht und ist offensichtlich unzufrieden mit dem Verfahren: "Wir alle haben definitiv befürchtet, dass dies eine Möglichkeit sein könnte, oder? Viele von uns haben heute Morgen miteinander geredet. Wir sind natürlich enttäuscht, wütend und haben das Gefühl, igitt, nicht schon wieder. (Aber) es ist offensichtlich eine Gesetzeslücke. Es ist nicht so, dass er unschuldig ist oder diese Dinge nicht passiert sind." Dulany beruhige es aber, dass "er im Gefängnis bleiben wird, mindestens bis er fast 90 Jahre alt ist."
Für die Staatsanwaltschaft von Manhattan ist der Kampf damit nicht verloren. Sie erklärte, dass sie "alles in unserer Macht Stehende tun" werde, um den Fall neu zu verhandeln. "Wir werden uns weiterhin für die Überlebenden sexueller Übergriffe einsetzen", hieß es.
Rose McGowan: "Sie werden niemals umstoßen, wer wir sind"
Manche Statements lesen sich tendenziell kampfeslustig. Schauspielerin Rose McGowan wird mit den Worten zitiert: "Sie werden niemals umstoßen, wer wir sind. Segen für alle, die ihr Bestes gegeben haben".
"She Said"-Star Sarah Ann Masse war es wichtig, vor allem eines zu betonen. Dem "Rolling Stone" erklärte sie: "Die heutige Entscheidung impliziert in keiner Weise, dass Weinstein unschuldig ist. Und die Welt hat sich durch die Frauen, die mutig genug waren, ihn vor Gericht herauszufordern, für immer verändert."
Arthur Aidala, ein Verteidiger Weinsteins, gab diversen Medien folgende Erklärung ab: "Das heutige Urteil ist nicht nur ein Sieg für Harvey Weinstein, sondern ein Sieg für jeden Bürger in diesem Land, der eines Verbrechens angeklagt ist, und egal wie beliebt oder unbeliebt er ist, das Gericht hat lautstark erklärt, dass er Anspruch auf alle Schutzmaßnahmen hat, die in der Verfassung der Vereinigten Staaten und der Verfassung des Staates New York vorgesehen sind."