Debatte um neues Album: Geschichtsunterricht mit Beyoncé: Make Country Black Again!
Mit "Cowboy Carter" hat Beyoncé mehr als nur ein neues Album veröffentlicht. Sie korrigiert damit auch das falsche Bild, das wir von Amerika haben.
Stellen Sie sich bitte einen Cowboy vor. Haben Sie ihn vor Augen? Wahrscheinlich sieht er so aus: weiß, Stetson auf dem Kopf, nicht ein Staubkorn auf dem Anzug, hoch zu Ross und vielleicht noch eine Gitarre auf dem Rücken. Denn in jedem Cowboy steckt schließlich auch ein Country-Sänger, so hat es die Welt aus tausenden Wild-West-Filmen gelernt. Und jetzt kommt Beyoncé und sagt: alles falsch. Mit ihrem neuen Album "Cowboy Carter", auf dem die Pop-Diva in die Country-Music vorstößt, hat sie eine heftige Debatte darüber ausgelöst, wie weiß der Hillbilly-Sound tatsächlich war. Ist es geniales Marketing? Oder eine längst fällige Korrektur des "Wilden Westens" und der amerikanischen Geschichte?
Beyoncés Country-Song wird gecancelt – weil sie schwarz ist
Es ist beides. Beyoncé weiß, dass jedes Album eine gute Story braucht – und die zu "Cowboy Carter"geht so:
Stufe 1: In einem aufsehenerregenden Spot kündigt Beyoncé beim Super Bowl im Februar ihre neue Platte an, vor weltweit 800 Millionen Zuschauern.
Stufe 2: Zeitgleich erscheinen die ersten beiden Songs, "Texas Hold 'Em" mit einem klimpernden Banjo und "16 Carriages" mit schluchzenden Steel-Gitarren.
Stufe 3: Die konservative Country-Community schreit aufgebracht nach Riechsalz, ein Sender verbannt sogar beide Songs aus seinem Programm – die Beyoncé-Fans zwingen ihn mit einem Massenprotest jedoch, die Lieder wieder aufzunehmen.
Stufe 4: "Texas Hold 'Em" erreicht Platz eins der Hot Country Charts. Rekord! Beyoncé ist die erste schwarze Sängerin der Musik-Geschichte, der dies gelingt.
Stufe 5: Pünktlich zur Albumveröffentlichung postet Beyoncé auf X, warum sie es überhaupt aufgenommen hat. "Es wurde geboren aus einer Erfahrung, die ich vor einigen Jahren gemacht habe, bei der ich mich überhaupt nicht willkommen fühlte." 2016 nämlich hatte sie bei den Country Music Awards einen Gastauftritt, der ihr bösartige Kritik einbrachte. Mit dem neuen Album reklamiert sie nun die Country Music nicht nur für sich, sondern für alle farbigen Amerikaner.
Beyoncés Nachhilfestunde ist jedoch nicht nur gelungene Reklame, sondern immer noch bitter nötig, denn im weißgewaschenen Bild von Country und Cowboys versteckt sich bis heute ein kultureller Rassismus, wie die ersten Reaktionen auf "Texas Hold 'Em" zeigten. Dank Beyoncé sickert nun langsam durch, dass bis zu einem Drittel aller Cowboys schwarz waren. Und wie unsinnig daher eine Trennung zwischen "weißer" und "schwarzer" Musik eigentlich ist.
Noch immer ist es riskant, wenn Afroamerikaner Country singen
Das Banjo zum Beispiel geht auf afrikanische Saiteninstrumente wie die Akontig zurück, die man mit der europäischen Gitarre kombinierte. Auch waren farbige Country-Sänger keine Seltenheit, bekamen auf dem weißen Markt nur keine Chance: Charley Pride war mit 29 Nummer-Eins-Hits einer der erfolgreichsten Stars der 60er und 70er – die Country Music Hall Of Fame nahm ihn aber erst 2000 in ihre Reihen auf (neben zwei anderen schwarzen Künstlern). Am Anfang von Prides Karriere wurde sogar ein Geheimnis um seine Hautfarbe gemacht: um den Erfolg seiner Platten nicht zu gefährden, aber auch, weil man rassistische Angriffe auf ihn befürchtete. Große Namen wie die R&B-Ikonen Ray Charles, Tina Turner und Aaron Neville produzierten Country-Songs – und dennoch gilt es heute immer noch als riskant, wenn schwarze Künstler und Künstlerinnen sich den Cowboy-Hut aufsetzen.
Das hat Beyoncé jetzt getan – und zwar so, dass es niemand übersehen kann: Zum Album-Artwork gehört ein Glamour-Porträt, auf dem sie hoch zu Ross die amerikanische Flagge schwenkt wie eine Rodeo-Reiterin aus Hollywood. So viel Hype muss sein. Denn wie Beyoncé selbst sagt: "Das ist kein Country-Album. Das ist ein Beyoncé-Album."