Verstärkte Machtkämpfe: China und das gefährliche Jahr des Drachen

Wirtschaft und Politik stehen in China 2024 vor Weichenstellungen, die den weiteren Weg der Volksrepublik für lange Zeit bestimmen könnten.

Mit dem Neujahrsfest hat in China das Jahr des Drachen begonnen. In der Mythologie steht das Tierkreiszeichen für Stärke und Macht. Viele abergläubische Chinesen wünschen sich seit alters her die Geburt eines Sohnes in einem Jahr des Drachen, weshalb man 2024 in der Volksrepublik mit einem Anstieg der Neugeborenenzahlen rechnet. Doch der kleine Schub in der Statistik wird die demographische Bombe der verheerenden Überalterung im Reich der Mitte nicht entschärfen. Und überhaupt spürt man im Moment wenig von den typischen Attributen des Drachen in China. Die Wirtschaft steckt in der deflationären Spirale nach unten, in der Gesellschaft wächst die Unsicherheit und in der Politik mischen sich zunehmend Ratlosigkeit und Aggressivität.

2024 könnte zu einem Jahr fundamentaler Entscheidungen für das kommunistische Regime werden, die möglicherweise weit in die Zukunft hinausreichen. Ökonomisch geht es um die Frage, ob Xi Jinping die gefährliche Gemengelage noch mit dem bewährten Politikmix vergangener Krisen überwinden kann oder nicht. Falls Xi die Pleiten auf dem Immobiliensektor, die wacklige Lage der Banken, den Rückgang der Konsumlust, den Verfall der Preise und die Flucht aus den Finanzmärkten nicht in den Griff bekommt, bleibt nur noch der Weg zurück in eine Verstaatlichung. Die Zeichen dafür mehren sich schon jetzt.

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Die Unruhe in der Gesellschaft bekämpft Xi gegenwärtig noch mit einer verstärkten Ideologieproduktion, mit einer verstärkten Unterdrückung "schlechter Nachrichten" aus der Wirtschaft und einem wachsenden Kult um seine eigene Person, der den Chinesen ähnlich wie in den Zeiten Maos das Gefühl geben soll, der "weise Führer" werde am Ende schon alles richten. Wenn das alles aber nicht mehr reicht, bleibt dem Diktator nur die verstärkte Unterdrückung des eigenen Volks. Auch dafür gibt es bereits erste Anzeichen.

China wird immer weniger berechenbar

Politisch kann man zum ersten Mal in der Ära Xi wieder Hinweise auf verstärkte Machtkämpfe in der Führung der KP Chinas entdecken. Mit den Säuberungen in der Armee und im außenpolitischen Apparat des Regimes will der Diktator jeden Widerstand von vorneherein unterdrücken. Die Kampagne gegen die Korruption in höchsten Führungskreisen gibt Xi die Möglichkeit, jeden tatsächlichen oder auch nur möglichen Widersacher in die Schranken zu weisen. Bisher scheint das zu funktionieren. Falls aber nicht, bleibt nur eine neue Kulturrevolution, um die Parteielite aufzumischen und in Angst und Schrecken zu versetzen wie einst unter seinem großen Vorbild Mao.

Für das Ausland heißt das alles: Im Jahr des Drachen dürfte China noch weniger berechenbar agieren als bisher schon. Das immer engere Bündnis mit Russland und Schurkenstaaten wie Iran, Syrien oder Nordkorea könnte zu einer weiteren Verhärtung gegenüber dem Westen führen. Und im schlimmsten aller Fälle könnte Xi Jinping versuchen, die innere Schwäche des Landes durch kriegerische Aktionen zu übertünchen. 2024 wird so auch zu einem entscheidenden Jahr für das Verhältnis der Volksrepublik zu Taiwan und den Staaten an ihrer Peripherie.

Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.