Sperre für russische Eiskunstläuferin: Opfer eines brutalen Systems: Wie Wunderkind Walijewa verbrannt wurde
Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa war ein Jahrhunderttalent. Dann wurde sie in Peking des Dopings überführt und jetzt zu einer vierjährigen Sperre verdonnert – die Verantwortlichen kommen hingegen straffrei davon.
Der Fall der russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa hat zwei Jahre nach dem positiven Dopingtest einen Abschluss gefunden. Der internationale Sportgerichtshof Cas sperrte die 17-Jährige jetzt nachträglich für vier Jahre. Die Strafe beginnt rückwirkend mit dem 25. Dezember 2021, damals war die Blutprobe bei nationalen Meisterschaften entnommen worden, die das Herzmedikament Trimetazidin enthielt. Möglicherweise bedeutet die Sperre das Karriereende des jungen Ausnahmetalents. Dazu muss man wissen: Eiskunstläuferinnen-Karrieren sind in Russland besonders kurz. Und sie sind noch kürzer, wenn man ein Geschöpf der berühmt-berüchtigten Trainern Eteri Tutberidse ist. Kaum einer ihrer Zöglinge hatte eine längere Karriere.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hatte das Cas-Verfahren angestrengt, weil die russische Anti-Doping-Agentur Rusada von Strafen abgesehen hatte. Die Wada hatte nach eigener Auskunft "im Interesse der Fairness für die Athleten und eines sauberen Sports" Berufung eingelegt und geglaubt, dass dies die richtige Entscheidung gewesen sei. "Doping von Kindern ist unverzeihlich. Ärzte, Trainer oder anderes Hilfspersonal, die Minderjährigen leistungssteigernde Substanzen verabreicht haben, müssen mit der vollen Härte des Welt-Anti-Doping-Codes rechnen, hieß es in der Mitteilung Wada.IV Walijewa Weiss 10.55
Karriere von Kamila Walijewa ist wohl zerstört
Abgesehen vom berechtigten Kampf gegen Doping macht der Fall Walijewa besonders eines deutlich: Wie gnadenlos das Sportsystem in Russland ist. Eine damals 15-Jährige wird des Dopings überführt und zwei Jahre später ist ihre Karriere mutmaßlich zerstört. Aber die Verantwortlichen im Hintergrund dürfen weitermachen. Keine Strafe, keine Sanktion, kein Verantwortungsgefühl im Umgang mit blutjungen Talenten wie Walijewa. Die Trainerin Tutberidse drillt weiter Teenies auf Erfolg. Das ist der eigentliche Skandal.
Um zu verstehen, wie brutal das System ist, muss man nur in den Februar 2022 zurückblicken, als die ganze Welt Zeuge einer herzzerreißenden Tragödie auf dem Eis wurde. Die Nachricht von der positiven Dopingprobe platzte mitten in die Olympischen Spiele in Peking. Das russische Eiskunstlauf-Team hatte gerade die Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb gewonnen. Walijewa war ein wesentlicher Faktor des Erfolgs. Das Jahrhunderttalent hatte makellose Vierfachspünge auf das Eis gezaubert. Jetzt sollte Gold im Einzelwettbewerb folgen, Walijewa zu einem der Superstars der Spiele werden.Olympia Ein 15-jähriges Jahrhundert-Talent Kamila Walijewa schreibt Olympia-Geschichte Winterspiele 2022
Davon wollten sich die Teamleitung sowie Trainerin Tutberidse auch nicht durch eine positive Dopingprobe abhalten lassen. Die russische Anti-Doping-Agentur hob die vorläufige Suspendierung auf. Die Verantwortlichen schickten die junge Athletin also im Einzelwettbwerb wieder auf das Eis. Im Kurzprogramm wahrte eine schon sichtlich verunsicherte Walijewa die Form und und übernahm die Führung im Wettbewerb. Doch dann folgte die Kür, das Herzstück des Wettbewerbs.
Keine 15-Jährige kann so viel Druck aushalten
Was sich damals auf dem Eis abspielte, gehört wahrscheinlich zu den traurigsten Geschichten, die Olympia jemals erzählt hat. "Unter Vorbehalt" trat Walijewa an, so hieß der offizielle Begriff. Sie hatte vorher mitten in der Nacht an Anhörungen des Cas teilgenommen, wo über die Suspendierung und deren Aufhebung verhandelt worden war. Sie erzählte die lächerliche Geschichte von dem Wasserglas ihres Opas, aus dem sie getrunken haben wollte und das angeblich Spuren des Herzmedikamentes enthielt. Sie stand im Mittelpunkt der weltweiten Medien-Aufmerksamkeit. Und sie sollte Gold für Russland holen. So viel Druck kann keine 15-Jährige aushalten, unabhängig davon, wie talentiert sie ist.
Sehen Sie hier Walijewas Kür in der Übertragung von Eurosport
Die Kür wurde zu einem einzigen Desaster. Vor den Augen der Welt stolperte Walijewa über das Eis und stürzte drei Mal, Wackler nicht mitgezählt. Als die Zuschauer dachten, das bitterböse Schauspiel sei nicht steigerungsfähig, kam der Auftritt der Trainerin. Unvergessen sind die Bilder, als die am Boden zerstörte Walijewa nach Ende der Kür von Tutberidse noch Kritik kassierte und danach zwischen der Trainerin und einem Funktionär auf die Wertung wartete. Die Goldmedaille war weg, es wurde der vierte Platz. Gold und Silber gingen dennoch an Russland, das unter neutraler Flagge wegen des nachgewiesenen Staatsdopings antrat (das ist eine andere Geschichte).
Die Siegerinnen von Peking, Anna Schtscherbakowa und Alexandra Tussowa, waren ebenfalls Läuferinnen von Tutberidse. Das macht es noch unverständlicher, dass Walijewa antrat. Selbst wenn sie es gewollt hätte, man hätte sie davon abhalten müssen. Jetzt, zwei Jahre später, ist der Fall offiziell abgeschlossen, auch wenn die russische Eiskunstlauf-Föderation ankündigt hat, das Urteil genau zu prüfen.
Quellen: "Süddeutsche Zeitung", "Spiegel", "t-online".