Unterirdische Verstecke: Nazis, RAF und Hamas – sie alle schwören auf das Erddepot. Eine kurze Geschichte´
Mutmaßliche Hamas-Terroristen legen in Europa Erddepots an – vergessen aber leider wo. Damit sind sie nicht alleine. Seit Menschengedenken wird verbuddelt, was kostbar ist oder nicht gefunden werden soll. Eine kurze Geschichte unterirdischer Verstecke.
Es gibt nicht viele Kulturtechniken, die Eichhörnchen, Hunde und Menschen gemeinsam haben – außer: Löcher in die Erde buddeln. Eichhörnchen heben jedes Jahr Tausende von Verstecken aus für Nüsse, Zapfen und Beeren. Die meisten davon finden sie nie wieder. Hunde vergraben fast ausschließlich Knochen, der Menschen dagegen so gut wie alles: edle Metalle, Schatzkarten, andere Menschen (meistens tote).
Hamas: Wo ist unser Erddepot?
Bei Kriminellen und Terroristen sind unterirdische Verstecke beliebt, damit ihr Treiben möglichst lange unerkannt bleibt. Blöd nur, wenn sie, eichhörnchengleich, ihre eigenen Verstecke vergessen. So wie im Fall der nun festgenommenen mutmaßlichen Hamas-Kämpfer. Laut der Bundesanwaltschaft soll einer der Beschuldigten seit fast einem Jahr damit befasst gewesen, ein Erddepot mit Waffen in Europa ausfindig zu machen, das die Hamas dort zuvor angelegt hatte.
In der Archäologie gibt es für alles, was unter der Erde gehortet wird (und irgendwann ausgegraben wird) eine eigene Bezeichnung: Depotfunde. Im Laufe der Jahrtausende hat sich zu unseren Füßen, wenn auch nicht immer sichtbar, einiges angesammelt und gruselig wird es dann, wenn in der Zeitung von Pilzsammlern und Waldspaziergängern die Rede ist, die in der Wildnis die verscharrten Überreste unnatürlich Verblichener finden.
Regelmäßig tauchen geheime Verstecke auf
Nicht immer geht es um Leichen, oft genug auch um cooles Geheimagentenzeug oder Waffen. Allein in den vergangenen sechs Jahren wurden deutschlandweit ein halbes Dutzend Erddepots entdeckt, in denen Kalaschnikows, Munition oder Fässer mit Chemikalien fürs Bombenbauen verstaut waren:
2017 stürmt ein Spezialkommando der Brandenburger Polizei ein Reichsbürger-Anwesen in Rietz-Neuendorf und finden in einem Erddepot massenweise Munition, eine Reichskriegsflagge und ein Ausweis des Kaiserreichs Preußen, das es nie gab.
2016 findet die Polizei bei Kohlegegnern im Hambacher Forst vergraben ein Lager mit Material zum Bau von Molotow-Cocktails, Kugelgeschosse, Krallenfüße.
Ebenfalls 2016 fliegt ein Waffenhändlerring aus dem Darknet auf. Sie haben ihre Ware in einem Waldstück am Autobahnkreuz Köln-Ost versteckt: darunter polnische MPs und alte Luger-Pistolen.
Ende 2020, Anfang 2021 hatten Spaziergänger innerhalb kurzer Zeit gleich zwei unterirdische Verstecke entdeckt. In der Nähe von Hagen am Teutoburger Wald (Niedersachsen) wurde ein akribisch ausgebautes Erdloch gefunden, in dem eine in Folie eingeschweißte AK47 nebst 1430 Patronen gelagert waren. Kurz vorher stießen Waldarbeiter südlich von Hamburg auf eine Plastiktonne mit Schriften und Bombenbauanleitungen der "Revolutionären Zellen", einer linksextremen Terrorgruppe aus den 70er-Jahren.
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Besonders eifrig haben sich deren Terrorkollegen von der Roten Armee Fraktion am Erdreich zu schaffen gemacht. Sie überzogen das Land flächendeckend mit zahllosen Löchern und organisierten so ihren Kampf gegen die Bundesrepublik. Die unterirdischen Verstecke trugen codierte Namen wie "Altes Matsch" (bei Gravenbruch) "Neues He Dep" (bei Aschaffenburg), "Künstler" (bei Marburg) oder "5-Zimmer-Wohnung" (bei Heidelberg).
Polizei stellt RAF-Terroristen am Erddepot
Durch den Depotfund eines Pilzsammlers Anfang der 80er-Jahre (oder auch durch den Tipp der RAF-Terroristin Verena Becker) konnte die Polizei die Lage der Depots entschlüsseln und musste den Gesuchten dort nur noch auflauern. So gingen ihr im November 1982 südlich von Frankfurt die führenden RAF-Köpfe Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz ins Netz. Etwas später dann auch Christian Klar.
In den folgenden Monaten hoben die Beamten Versteck um Versteck aus. Gefunden wurden dabei Gewehre und Pistolen, Bargeld aus Banküberfällen, gefälschte Ausweise und einmal auch ein Tonband, mit einem "Verhör" des 1977 entführten und ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Die Waffe, mit der er erschossen worden war, war genauso vergraben wie die Mordwaffe des Bankiers Jürgen Pontos. Obwohl viele RAF-Terroristen ihre Strafen mittlerweile verbüßt haben und auskunftsfreudig sind, ist unklar, wie viele ihrer Erdlöcher noch unentdeckt in deutschen Wäldern existieren.
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Auch der Kalte Krieg und die Nazis haben ihre Spuren im Erdreich hinterlassen: Im Jahr 2020 legte der Braunkohletagebau im Hambacher Forst ein Agentenfunkgerät im luftdicht verschlossenen Aluminiumbehälter mit kyrillischen Schriftzeichen frei. Laut des Militärischen Abschirmdiensts wurde so etwas vom sowjetischen Geheimdienst GRU oder der DDR-Staatssicherheit verwendet.
Nazischatz am Klausenkopf
Einer der berühmtesten und wertvoll befülltesten Erddepots dürfte sich in den bayrischen Alpen befunden haben. Als sich im Frühjahr 1945 die Naziherrschaft absehbar ihren Ende zuneigte, wollte die Reichsbankführung soviel Vermögen wie irgendwie möglich vor den anrückenden Alliierten "in Sicherheit" bringen. Teile der Goldreserven in einem Kalibergwerk in Thüringen versteckt, Säcke mit mehr Gold und Devisen (darunter 2.3 Millionen US-Dollar) werden am Klausenkopf beim Walchensee nordöstlich von Garmisch-Patenkirchen vergraben. In der ganzen Gegend hatten Gebirgsjäger das Reichsrestvermögen versteckt und sie in eine einzige Schatztruhe verwandelt.
STERN PAID 45_23 Was kommt nach der Hamas? 12.05
Bis heute ist nicht ganz klar, wo der Nazischatz überall versteckt wurde, ob er vollständig wieder aufgetaucht ist und wer im Laufe der Jahre davon genascht hat. Aber die vor aller Augen versteckten Geheimnisse faszinieren die Menschen schon immer – ganz gleich, ob die Guten oder die Bösen dahinter stecken. Und in den besten Geschichten ist die Suche nach ihnen besser als das Finden.
Quellen: BKA auf Facebook, "Faz", "Die Welt", DPA, Deutschlandfunk, "Spiegel", "Süddeutsche Zeitung", "Berliner Zeitung", AFP