Bund-Länder-Gipfel: Einigung auf Paket zur schnelleren Planung - Streit über Migration
Die Ausgangslage für den Bund-Länder-Gipfel zur Migration war ohnehin schon schwierig. Dann wurde auch noch ein neues Fass aufgemacht. Aber bei einem anderen Thema gibt es einen Erfolg zu vermelden.
Einigung auf mehr Tempo bei der Planung von Baumaßnahmen, aber Streit über die Reduzierung der Flüchtlingszahlen: Das sind die Zwischenergebnisse des wichtigsten Bund-Länder-Gipfels seit der Corona-Pandemie bis zum Abend. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder verständigten sich zum Auftakt ihrer Beratungen darauf, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, damit Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken und Wohnungen schneller gebaut werden können.
Riesen-Zoff gab es schon vorher bei dem Vorbereitungstreffen der Länder beim Thema Migration. Auslöser war ein neuer Forderungskatalog, den die von CDU und CSU regierten Länder zusammen mit dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann vorlegten. Die SPD-Länder reagierten verärgert. Die Beratungen seien "nicht so wirklich erquicklich" gewesen, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
Dabei waren sich vorher eigentlich alle einig, dass sich Bund und Länder, Regierung und Opposition bei der Eindämmung der irregulären Migration irgendwie zusammenraufen müssen - auch um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zum Auftakt ging das schief.
Überraschender Vorstoß von Unions-Ländern und Kretschmann
Die von CDU, CSU und Grünen geführten Bundesländer machten sich überraschend gemeinsam für Asylverfahren außerhalb Europas stark und stellten sich damit hinter einen entsprechenden Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU).
Weil machte deutlich, dass die SPD-geführten Länder sich dies nur für Transitstaaten hätten vorstellen können, also für Länder, die Migranten passieren. Diese Möglichkeit soll die Bundesregierung nach dem Willen der Länder nun prüfen. Ein Modell Ruanda sei hingegen nicht vorstellbar gewesen, so Weil - eine Anspielung auf britische Pläne. Die Regierung in London will, dass irregulär nach Großbritannien eingereiste Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrags festgehalten und so bald wie möglich nach Ruanda abgeschoben werden, wo sie dann auch um Asyl ersuchen sollen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen.
Wegen des Streits ums Geld Verhandlungen bis in die Nacht erwartet
Einigkeit gab es unter den Ländern dagegen darüber, dass sie für die Unterbringung von Flüchtlingen mehr Geld vom Bund haben wollen. "Wir Länder haben einen sehr klaren Vorschlag gemacht. Wir sind sehr einig in der Frage", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU).
Die Länder zahlten in diesem Jahr rund 18 Milliarden Euro und die Kommunen etwa fünf Milliarden Euro für Flüchtlinge. "Deswegen glauben wir, dass da eine Unwucht ist, die überwunden werden muss. Und darüber werden wir jetzt mit dem Bund diskutieren und zu Beschlüssen kommen", betonte Rhein. Die Begrenzung der Zuwanderung sei eine originäre Aufgabe des Bundes.
Wegen des Streits um das Geld wurde erwartet, dass die Verhandlungen bis tief in die Nacht gehen. Die Länder wollen 10 500 Euro pro Flüchtling und pro Jahr. Der Bund will nur 5000 geben. Dazwischen muss man sich einigen.
Einig waren sich die Länder beim Ziel, die Migration zu begrenzen und das Asylrecht zu verschärfen. So soll der Familiennachzug zu so genannten subsidiär Schutzberechtigten - oft Bürgerkriegsflüchtlinge - "vorübergehend bis auf besondere Härtefälle begrenzt" werden. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht hier eigentlich eine Ausweitung vor.
Die Asylverfahren von Menschen aus Ländern, bei denen weniger als 5 Prozent hierzulande Schutz bekommen, sollen nach der Auffassung der Länder künftig in drei Monaten abgeschlossen sein, ein mögliches Klageverfahren gegen einen Bescheid in weiteren drei Monaten. Für alle anderen soll eine Zielmarke von maximal sechs Monaten gelten. Für Leistungen an Asylbewerber soll eine Bezahlkarte kommen.
Die Innenministerkonferenz soll zudem prüfen, wie insbesondere schwere Straftäter und Gewaltverbrecher besser abgeschoben werden können - und ob man ihnen künftig leichter den Schutz in Deutschland entziehen könnte.
Beschleunigungspakt steht
Dafür einigten Scholz und die Ministerpräsidenten auf einen Beschleunigungspakt. Es gehe darum, "dass nicht noch ein Politiker sagt, alles soll schneller werden, sondern dass es tatsächlich passiert", sagte Scholz.
In den letzten Jahrzehnten hätten Bund und Länder "mit großer Liebe und Zuneigung" immer mehr Vorschriften erfunden. Diese sollten nun vereinfacht werden. Das Paket umfasse dazu an die 100 Einzelregelungen, unter anderem zu Autobahnen und Zugtrassen, zum Bau von Wohnungen, dem Ausbau von Dachgeschossen und das Aufstellen von Mobilfunkmasten. Weitere Vereinfachungen etwa im Gesundheitswesen und der Wasserstoffindustrie sollten folgen, kündigte Scholz an.
Der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) betonte: "Ich freue mich sehr darüber, dass wir einig sind als Bund und Länder, und das ist im Föderalismus eben wichtig." Unter anderem beim Thema Bauen werde vieles erleichtert. Einmal erteilte Typengenehmigungen für serielles Bauen sollten etwa bundesweit gelten. Um- und Ausbau von Wohnungen werde nicht mehr an Auto-Stellplätzen scheitern. Ein Windrad könne ohne Genehmigung an der gleichen Stelle durch ein anderes ersetzt werden.
Weil: "Wir sind in Deutschland zu kompliziert"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte: "Wir sind in Deutschland zu kompliziert, deshalb dauert alles zu lange, und das macht es am Ende natürlich noch zusätzlich teurer." Jetzt solle vieles einfacher und damit auch billiger werden. Umweltverbände hatten die Bund-Länder-Pläne zuvor scharf kritisiert. Sie fürchten, es könne auf Kosten der Natur gehen, wenn Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen und Artenschutz verändert werden.