US-Konzern: Warum Microsoft seinen Angestellten nun unbegrenzt bezahlten Urlaub gibt – und das nicht so toll ist, wie es klingt
In den USA haben Angestellte im Vergleich zu Deutschland deutlich weniger Urlaub. Bei Microsoft ändert sich das nun: Die Mitarbeiter können so viel frei nehmen, wie sie möchten. Doch ganz so paradiesisch wie das zunächst klingt, ist es vermutlich nicht.
Aus Sicht eines Amerikaners sind Deutschlands Urlaubsregelungen geradezu ein Traum. Während Arbeitnehmern hierzulande für einen Vollzeitjob rechtlich jedes Jahr 20 Urlaubstage zustehen, gibt es im Land des Turbokapitalismus schlicht gar keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub – oder nur auf sogenannte Krankentage. So viel wie bei Microsoft haben auch auch hierzulande wenige Menschen frei: Der Konzern gibt jedem Angestellten nun soviel bezahlten Urlaub, wie er eben möchte.
Das kündigte das Unternehmen am Mittwoch in einer internen Verlautbarung an, die mehreren Medien vorliegt. Die Maßnahme wird als "Discretionary Time Off" (etwa: Freizeit nach eigenem Ermessen) bezeichnet. "Wie, wann und wo wir arbeiten, hat sich dramatisch verändert", heißt es in dem Memo nach Angaben von "The Verge". "Und während wir uns verändern, ist auch eine Modernisierung unserer Urlaubspolitik hin zu einem flexibleren Modell ein natürlicher Fortschritt."Paid Self-Branding 13.00
Urlaub ohne Grenzen
Dann wird es konkreter: Ab dem 16. Januar können alle Festangestellten des Unternehmens in den USA unbegrenzt bezahlten Urlaub nehmen. Zusätzlich gibt es zehn konzernweite Feiertage, Elternzeit und Krankentage, sowohl für körperliche als auch für geistige Erkrankungen. Wer noch klassische Urlaubstage aus dem letzten Jahr übrig hat, bekommt diese im April in einer Einmalzahlung ausgeglichen. Einzige Ausnahme: Wer nur stundenweise bezahlt wird, hat keinen Anspruch auf die freien Tage.
Die Entscheidung ist gleich in mehrer Hinsicht bemerkenswert. Angestellten in den USA haben nicht nur kein landesweit geregelten Urlaubsanspruch, sondern auch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Beides wird mit dem Arbeitgeber verhandelt. Im Schnitt bekommen Amerikaner gerade mal zehn Tage im Jahr bezahlt frei - und müssen bei Erkrankungen Urlaub nehmen, um weiter ihr Gehalt zu bekommen. Microsofts neue Urlaubspolitik wirkt angesichts dessen also noch spektakulärer, als sie es schon im Vergleich zur deutschen Gesetzeslage wäre.
Was erhofft sich Microsoft von dem Schritt?
Natürlich ist Mircosoft nicht aus reiner Selbstlosigkeit so großzügig. Unter den US-Techkonzernen herrscht seit Jahren ein erbitterter Kampf um die besten Talente. Mit zahlreichen Vorteilen zusätzlich zum Gehalt versuchen die Unternehmen, sich für begehrte Spezialisten attraktiv zu machen. Bei Microsoft, anders als viele andere Tech-Konzerne nicht im kalifornischen Silicon Valley sondern im deutlich kälteren Redmond nahe Seattle beheimatet, hatte sich etwa schon vor die Flexibilität des Homeoffices als attraktiver Anreiz erwiesen. Jetzt, wo nahezu alle Software-Konzerne die Arbeit von Zuhause ermöglichen, muss man sich eben neue Angebote an die Angestellten überlegen.
Microsoft ist nicht der erste US-Techkonzern, der dazu auf unbegrenzten Urlaub setzt. Auch bei Netflix oder Oracle gibt es bereits entsprechende Angebote. Banken wie Goldman Sachs bieten sie besonders treuen Mitarbeitern ebenfalls an.
Urlaub mit Crux
Für die Angestellten erweist sich die theoretisch unbegrenzte Freizeit in der Praxis aber selten als der paradiesische Zustand, nach dem sie zunächst klingt. Man muss seine Freizeit weiter mit den Bedürfnissen des Teams koordinieren, zudem gebe es eine Selbstverantwortung, trotzdem genügend zu arbeiten, um seinen Job erfüllen zu können.
Was das in der Praxis bedeuten kann, hatte berichtete die "BBC" bereits im letzten Jahr. Obwohl es keine offizielle Beschränkung gib, spielt sich in den Unternehmen demnach schnell eine Norm an Urlaubstagen ein, von der dann nur die wenigsten abweichen. Weil der Druck auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt durch die jederzeit mögliche fristlose Kündigung hoch ist, sind viele Angestellte sehr vorsichtig. Und nehmen oft sogar weniger Urlaub. Und: Ein Drittel der Befragten mit unbegrenztem Urlaub arbeiteten auch an den eigentlich freien Tagen einfach weiter.
Beim Software-Unternehmen Facet zog man deshalb irgendwann die Notbremse. Es handle sich dabei um "Betrug" am Mitarbeiter, schimpfte der Chef Robert Sweeney bei Linked.in. Auch seine Angestellten hatten sich nach der Einführung schlicht noch weniger Urlaub gegönnt als vorher. "Die Firmen wissen, dass ihre Angestellten so weniger frei nehmen", klagte er. "Und ihnen gefällt das." Ihm nicht. Deshalb schaffte er den unbegrenzten Urlaub wieder ab - und gab jedem Angestellten fix 32 Tage bezahlt frei. Ohne, dass sich jemand dafür rechtfertigen muss.
Quellen: The Verge, BBC, Linked.in
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