Casemiros beste Saison – der heimliche König von Madrid?
MADRID. Im Januar 2013 – ja, so lange ist das inzwischen her – machte Casemiro seine ersten Gehversuche im Dress der Merengues, als er für die Castilla von seinem Jugendverein FC São Paulo, wo er als Elfjähriger die Karriere startete und in jeder Altersklasse das Kapitänsamt innehatte, ausgeliehen wurde. Der geschulte Blick von keinem geringeren als dem „defensiv vernarrten“ José Mourinho verhalf dem jungen Brasilianer bereits im April des selben Jahres zum Profidebüt in LaLiga. Nach dem Ende jener Spielzeit 2012/13 zogen die Königlichen ihre Kaufoption, eisten den Mittelfeldmann aus Brasilien los und beförderten ihn umgehend zu den Profis. Sechs Millionen Euro hatten sich die Blancos die Dienste des Abräumers kosten lassen – ein wahres Schnäppchen und ein Königstransfer, was sich allerdings erst im Laufe der Jahre herausstellen sollte.
Schleichender Prozess der Machtergreifung
Natürlich war der junge Brasilianer angesichts der namhaften Konkurrenz nicht auf Anhieb gesetzt (Saison 2013/14 insgesamt 274 LaLiga-Minuten, häufig noch keine Kaderberücksichtigung), weshalb man sich auf ein Leihgeschäft mit dem portugiesischen Spitzenteam FC Porto einigen sollte. Dort avancierte Casemiro schnell zu einer Stammkraft, absolvierte 28 Ligaspiele (dabei drei Treffer) und stand zudem bei acht Champions-League-Partien auf dem Rasen. Die Spielpraxis tat dem Defensivspezialisten gut und seine Leistungen blieben auch in Madrid nicht unbemerkt, sodass die Verantwortlichen die Kaufoption der Portugiesen zurück erwarben und sich erneut die Dienste des Rechtsfußes sicherten. Es folgte der Start in eine Erfolgsgeschichte, die viele nicht einmal wahrgenommen hatten: Während nämlich das Rampenlicht sowie der große Glanz Superstars wie Cristiano Ronaldo vorbehalten war, agierte Casemiro als zuverlässiges Arbeitstier im königlichen Schaltzentrum.
Inzwischen ist der Junge aus São José dos Campos im besten Fußballeralter – am 23. Februar wird er seinen 28. Geburtstag feiern – und hat sich mit seinem Spielstil nahezu unerlässlich für Real-Coach Zinédine Zidane gemacht. Aus seinen Erfahrungen hat er zusätzlich gelernt: „Ich habe mich bei Real niemals wie ein Stammspieler gefühlt“, sagte er vergangenes Jahr in einem Interview mit dem brasilianischen Fernsehsender „Esporte Interativo“ und wollte damit ausdrücken, dass ihn der Konkurrenzkampf bei den Königlichen stets beflügelt und motiviert, noch besser zu werden. Der Strippenzieher ist unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung der insgeheime Chef des Teams geworden, der ungekrönte Monarch sozusagen.
Lediglich Kapitän Sergio Ramos hat in dieser Saison genau so viele Spiele (21) in LaLiga absolviert und Wettbewerbsübergreifend ist der Mittelfeldspieler mit bereits 30 Einsätzen sowie 2.670 Minuten auf dem Feld sogar unangefochtene Spitze seines Teams. Wenn er dann doch einmal aussetzen muss, stottert offensichtlich auch gleich der königliche Motor: Bei zwei Auftritten ohne die Nummer 14 in LaLiga kamen die Blancos jeweils nicht über ein Unentschieden hinaus und beim unschönen Pokal-Aus gegen Real Sociedad (3:4) war der Stratege ebenfalls nicht von der Partie. Umso besser, dass sein Fehlen in der Regel ein Ausnahmefall bleibt.
Mit großem Irrtum aufräumen
Doch was macht ihn so unverzichtbar? Es sind seine Attribute, denn ohne Zweifel kann man bei ihm von einem perfekten Sechser sprechen, einem Spieler, den nicht nur, aber gerade Real Madrid benötigt. Mit Freigeistern wie Luka Modrić, Toni Kroos oder Isco um sich herum, ist er der „Staubsauger“ vor der Abwehrkette. „Er hilft unheimlich, ist immer da, auch wenn man selbst mal nicht da ist“, bemerkte unlängst auch Toni Kroos die immense Qualität seines Nebenmannes. Der ihm vorauseilende Ruf als „Raubein“ wird ihm dabei nicht gerecht, auch wenn er sich keineswegs zu schade ist, auch einmal zu einer Grätsche anzusetzen, denn mit 74 Tacklings – davon 49 erfolgreich – ist er in beiden Kategorien Liga-Spitze. Er geht eben auch dorthin, wo es weh tut und musste mit 35 Tacklings als Quittung dafür die meisten Attacken seiner Gegenspieler in der gesamten Liga abwehren. Und trotzdem: Die Zweikampfstärke ist nicht alles, was er zu bieten hat! Ebenso zeichnen ihn mittlerweile seine Übersicht und die Ruhe am Ball aus. Und wenn alle Stricke reisen, sorgt er im Zweifel mit seiner Kopfballstärke und Abschlüssen aus der zweiten Reihe ebenfalls für Torgefahr. Vier Pflichtspieltreffer verbucht er in dieser Serie, wovon er zwei im Spitzenspiel gegen den FC Sevilla (2:1) und damit den Spielentscheidenden Doppelpack beisteuern konnte, was ihm einen weiteren Ritterschlag von „Zizou“ eingebracht hatte: „Ich freue mich sehr für ihn, (…) mich beeindruckt vor allem das erste Tor.“ Wie gesagt: ein perfekter Sechser!
1 – In LaLiga 2019/20, Carlos Casemiro is the player with the most:
Recoveries – 187
Recovieries in opp half – 68
Interceptions – 44
Interceptions in opp half- 17
Tackles – 74
Tackles won – 49
Fouls conceded (tackles) – 35Stopper. pic.twitter.com/xbiOaEqjUU
— OptaJose (@OptaJose) February 11, 2020
Bester Zweikämpfer in LaLiga und vieles mehr
Noch Zweifel? Dann kann Carlos Henrique Casimiro, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, auch noch weitere Zahlen für sich sprechen lassen: Mit 187 Balleroberungen führt er auch in dieser Kategorie die gesamte Liga an, die davon 68 Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte sind zusätzlicher Spitzenwert. Ebenso zeichnet sich die Spielintelligenz des 1,85 Meter-Mannes beim Anblick der von ihm abgefangenen Pässe ab, wo er mit insgesamt 44 (davon 17 in der gegnerischen Hälfte) ebenfalls den Ligaprimus darstellt.
@Casemiro has stolen the ball back 187 times in @LaLiga this season – more than any other player!#RMLiga | #HalaMadrid pic.twitter.com/QwtavkjKUL
— Real Madrid C.F. (@realmadriden) February 14, 2020
Unschlagbare Zahlen, die nicht wegzudiskutieren sind. Casemiro ist das Herz und der Motor von Real Madrid! Auch wenn in der Regel andere für die Zaubermomente bei den Königlichen sorgen, ist Casemiro derjenige, welcher ihnen die Bühne dafür bietet und den Rücken freihält. „Gut gemacht, du Monster“, lobte Zidane sehr bezeichnend seinen Schützling nach dem Sieg in der Supercopa Anfang des Jahres. Und wer Casemiro immer noch für einen „Treter“ hält, der sollte zukünftig richtig hinsehen oder lieber gleich zum Ballett gehen, denn Casemiro ist unersetzlich! Das weiß zum Glück auch Zidane, der ihn einst 2015 zum Stammspieler und so nach und nach zum heimlichen König Madrids beförderte.