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Silvesterfeuerwerk: Diskussion um Jahresausklang ohne Böller nimmt Fahrt auf

Stern 

In Dinkelscherben soll ein Profifeuerwerk private Böller ersetzen – weniger Stress für Tiere, weniger Müll, mehr Gemeinschaft. Auch in anderen Orten wird über das bisherige Brauchtum gestritten.

Draußen knallt es stundenlang alle paar Sekunden, der Hund verkriecht sich zitternd und hechelnd unter dem Tisch. Mit seinem empfindlichen Gehör steht der Vierbeiner Todesängste aus - solche Szenen erleben viele Tierbesitzer in Deutschland rund um den Jahreswechsel. Manche müssen ihren panischen Liebling sogar mit Medikamenten vom Tierarzt ruhigstellen, um Hund oder auch Katze die schlimmste Zeit zu erleichtern.

Immer häufiger wird deswegen inzwischen über Böllerverbote oder zumindest Einschränkungen beim Feuerwerk diskutiert. Neben dem Tierschutz sind dabei auch die Umweltbelastung sowie die Sicherheit Argumente. Im schwäbischen Dinkelscherben (Landkreis Augsburg) will beispielsweise nun der Jugendclub mit einer Initiative einen neuen Umgang mit Silvesterfeuerwerk erreichen. Befürworter verweisen hingegen auf die lange Tradition und möchten sich das Böllern nicht vermiesen lassen.

Einige Sichtweisen zu dem umstrittenen Thema:

Was sind die wichtigsten Aspekte gegen das Böllern?

Der Verein Deutsche Umwelthilfe formuliert es mit drastischen Worten: "Um die Silvesternacht verwandeln sich unsere Städte regelmäßig in kriegsähnliche Zonen: brennende Balkone, toxische Luft und eine Feuerwehr, die bis ans Limit an unzähligen Brandherden zugleich kämpft." 

Laut Umweltbundesamt belasten Feuerwerkskörper die Luft in Deutschland jedes Jahr mit rund 2.050 Tonnen Feinstaub - dies sei etwa ein Prozent der insgesamt freigesetzten Feinstaubmenge. "Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Luftbelastung mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch, wie sonst im ganzen Jahr nicht", berichtet die Behörde. Hinzu kommen die Tonnen von Abfall, die die Stadtreinigungen nach der großen Party von den Straßen kehren müssen.

Im Bereich Tierschutz geht es nicht nur um die Haustiere - auch die Rinder, Schweine und Pferde in den Ställen sowie natürlich die Wildtiere haben Angst. "Feuerwerk stresst die Natur", fasst der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) das Problem zusammen und fordert ein generelles Umdenken. Die LBV-Biologin Angelika Nelson schildert die Folgen am Beispiel der Vogelwelt: "Vögel reagieren heftig auf Böller und Raketen. Sie fliehen in große Höhen von mehreren hundert Metern, landen für lange Zeit nicht und kehren nur zögerlich zu ihren Rast- und Schlafplätzen zurück." Manche Tiere prallten in Panik gegen Scheiben oder andere Hindernisse.

Rettungsdienste und Polizei sehen insbesondere die Risiken für die Menschen: immer wieder gibt es Böller-Fans, die sich selbst oder andere verletzen; sowie Kriminelle, die Sicherheitskräfte, Feuerwehrleute und Sanitäter mit Raketen beschießen. "An einem bundesweiten Böllerverbot führt kein Weg mehr vorbei", meint die Gewerkschaft der Polizei und hat eine Online-Petition gestartet. Bislang haben dort weit mehr als zwei Millionen Unterstützer unterzeichnet - die Initiatoren sprechen von der "größten Petition Deutschlands".

Was sagen die Feuerwerks-Befürworter?

Gegner eines Verbots gibt es natürlich auch, vornehmlich bei Unternehmen, die von Feuerwerk profitieren. So erläutert der Feuerwerkshändler Röder aus dem oberfränkischen Schlüsselfeld, dass es auch Feuerwerk ohne laute Knallerei gebe: "Leises oder geräuscharmes Feuerwerk hat durchaus grandiose Effekte zu bieten."

Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk verweist auf das Brauchtum, das neue Jahr mit Krachern und Raketen zu begrüßen. "Feuerwerk selbst zu gestalten, birgt insbesondere zu Silvester für viele Menschen eine besondere Faszination und ist fester Bestandteil der Traditionen zum Jahreswechsel." Weitergehende Beschränkungen als die bisherigen würden den "Interessenausgleich zwischen jenen Teilen der Bevölkerung, für die Feuerwerk eine wichtige Tradition und Kulturpraktik bedeutet und jenen, die sich durch Feuerwerk gestört fühlen, aufheben".

Was ist bislang erlaubt beziehungsweise verboten?

Ganzjährig dürfen in Deutschland nur professionelle Pyrotechniker Feuerwerk veranstalten. Privatpersonen dürfen nur am letzten und dem ersten Tag des Jahres böllern. Laut Gesetz darf "in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen" sowie von brandgefährdeten Gebäuden grundsätzlich nichts gezündet werden.

Etliche bayerische Städte haben aber weitergehende Verbote in bestimmten Bereichen. Einerseits sollen damit feiernde Menschenansammlungen geschützt werden, andererseits will man das Feuerrisiko gerade in historischen Ortskernen verringert.

Welche Initiativen gibt es darüber hinaus?

In Dinkelscherben möchte der Jugendtreff in der Silvesternacht die wilde Böllerei einschränken. Dafür wird eine gemeinsame Feier organisiert, als Höhepunkt mit einem professionellen Feuerwerk. Maja Rittel vom Jugendtreff stört sich daran, dass oft schon Tage vor Silvester geböllert werde. Sie frage sich: Wenn dies Menschen schon belastet, wie müssen es Hunde oder Tiere in Mastbetrieben erleben? "Es gibt bei einem zentralen Feuerwerk nur Vorteile." Laut Rittel sind die Reaktionen in der Marktgemeinde bislang durchweg positiv.

Sie sieht es als einen längerfristigen Prozess an, dass solch ein Angebot zum Rückgang von privatem Feuerwerk führt. Wenn die Bürgerinnen und Bürger ein schönes, organisiertes Feuerwerk erleben, würden sie dafür vielleicht auf den Kauf von eigenen Raketen verzichten und etwas für das Showfeuerwerk spenden: "Für zehn Euro bekomme ich da deutlich mehr als im Supermarkt." Außerdem sieht Rittel zentrale Veranstaltungen als ein Mittel gegen die Vereinsamung in der Gesellschaft.

Bürgermeister Edgar Kalb geht ebenfalls davon aus, dass mögliche Veränderungen etwas Zeit benötigen. Es sei in Dinkelscherben wegen des Jugendtreff-Projekts auch ein gleichzeitiges Verbot von privaten Silvesterfeuerwerken diskutiert worden, sagt Kalb. "Dies wurde als nicht zielführend erachtet."

Ein Vorreiter eines kompletten Feuerwerksverbots ist das Kleinwalsertal bei Oberstdorf. In das beliebte österreichische Bergtal kommen viele deutsche Touristen, weil es nur von Bayern aus über die Straße zu erreichen ist. Bereits seit Jahren gibt es dort ein Verbot. Die örtliche Tourismusgenossenschaft appelliert an die Feriengäste, zum Wohle von Mensch, Tier und Natur auf Knallkörper zu verzichten. Im Hauptort Riezlern gibt es als Ersatz für die Böllerei eine große Open-Air-Silvesterparty.

Die überwiegende Zahl der Einheimischen im Kleinwalsertal sehe das ganzjährige Feuerwerksverbot positiv, wegen der Natur als sinnvoll oder zumindest nachvollziehbar an, sagt Katharina Drechsel von der Gemeindeverwaltung Mittelberg. "Natürlich gibt es hier auch kritische Stimmen beziehungsweise Personen, die sich nicht an das Verbot halten. Dies ist aber nicht die Mehrheit."

"Bei den Gästen verhält es sich ähnlich", sagt die Gemeindesprecherin. Es habe keine Rückgänge bei den Buchungen in dieser Zeit der Hochsaison gegeben. "Es gibt viele Gäste, die extra wegen des Feuerwerksverbots kommen, beispielsweise mit Hunden." Diese Urlauber seien dann sogar verärgert, wenn sich einzelne Personen im Tal nicht an das Verbot halten.

Die Augsburger Grünen, die derzeit zusammen mit der CSU die Stadtregierung stellen, wollen ab dem Jahreswechsel 2026/27 in Bayern drittgrößter Stadt ebenfalls ein "modernes Silvesterkonzept" umsetzen. Die feuerwerksfreien Zonen sollen ausgeweitet werden, dafür soll es Alternativangebote wie Lasershows, Lichtprojektionen oder zentrale Feuerwerke geben.

Wie gehen Behörden in anderen Regionen mit dem Thema um?

Auch auf den Nordseeinseln Amrum und Föhr sollte es heuer ein komplettes Feuerwerksverbot geben. Doch das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hob das Verbot in einem Eilverfahren zunächst wieder auf. Erst nach einem endgültigen Urteil wird feststehen, ob Böllern auf den Inseln tabu ist. Die örtlichen Tourismusverbände zeigten sich wenig begeistert von der Entscheidung des Gerichts. Sie berichten von verärgerten Urlaubern, die eigentlich einen ruhigen Jahreswechsel an der Nordsee verbringen wollten und sich jetzt beschweren.

In den Niederlanden dürfen ab dem Jahreswechsel 2026/2027 Privatleute keine Feuerwerkskörper mehr abbrennen. Anlass für das landesweite Verbot war in erster Linie die zunehmende Gewalt zu Silvester. Auch in den Niederlanden waren wie in Deutschland immer wieder Polizisten, Feuerwehrleute und Hilfskräfte mit Böllern angegriffen worden. Zentrale Feuerwerkshows beispielsweise von Kommunen bleiben aber in unserem Nachbarland erlaubt.





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