1. Mai 1994: Der Tag, an dem Ayrton Senna starb
Ayrton Sennas Todestag jährt sich zum 30. Mal. Der Unfall in Imola war Tiefpunkt eines schwarzen Wochenendes, an dem zwei Menschen starben.
Michael Schumacher erlebte den Horrorunfall aus nächster Nähe. Der aufstrebende Jung-Star fuhr an jenem schwarzen Sonntag vor 30 Jahren direkt hinter Spitzenreiter Ayrton Senna, als der in der siebten Runde des Großen Preises von San Marino die Kontrolle über seinen Williams-Renault verlor und in der Tamburello-Kurve in spitzem Winkel in eine Betonmauer einschlug. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf saß der Brasilianer leblos im Wrack.
"Imola war ein Desaster. Es hätte nicht schlimmer kommen können und es waren sehr bittere Tage danach", sagte Schumacher einige Zeit nach der größten Tragödie in der Königsklasse des Motorsports seit rund vier Jahrzehnten. Für Formel-1-Chef Bernie Ecclestone war der Tod des dreimaligen Champions Senna am 1. Mai 1994 sogar so, "als hätte man Jesus live ans Kreuz genagelt".
Mit 214 km/h krachte Senna in die Mauer
Erst rund vier Stunden nach dem schrecklichen Crash bestätigte Maria Teresa Sandri, die Chefärztin der Maggiore-Klinik in Bologna, um 18.05 Uhr Sennas Tod im italienischen Sender RAI. Bis zu diesem Moment hatte noch die Hoffnung bestanden, der 34 Jahre alte Rennfahrer könnte überleben.FS Ayrton Senna 30. Todestag
"Ich habe den Unfall mitgekriegt, da ich ja hinter ihm fuhr", berichtete Augenzeuge Schumacher, der sich seit einem Skiunfall im Dezember 2013 in medizinischer Rehabilitation befindet. "Aber ich hätte nie gedacht, dass es so schlimm sei." Beim Abflug raste Senna mit 321 Stundenkilometer über den 5,04 Kilometer langen Kurs. Wie die Telemetriedaten ergaben, krachte er mit 214 km/h in die Mauer. Eine gebrochene Lenksäule hatte den Unfall wohl verursacht. Angeblich hatte Senna deren Umbau selbst gefordert. Bei dem Crash war er von einem losgerissenen Vorderrad schwer getroffen worden und seinen Kopfverletzungen erlegen. Auch in langen Gerichtsverfahren wurden die genauen Umstände nie geklärt.
Schumacher dachte an Karriereende
Senna zählt mit seinen drei WM-Titeln, 41 Siegen und 65 Pole-Positionen nicht nur zu den erfolgreichsten Piloten der Grand-Prix-Geschichte. Es umgab ihn auch eine ganz besondere Aura. Seiner Ausstrahlung konnte sich kaum jemand entziehen. "Senna war ein unglaublich charismatischer Typ, fahrerisch sensationell, im Regen unglaublich. Einfach eine Ausnahmeerscheinung", sagte der dreimalige Champion Niki Lauda Jahre nach Sennas Tod dem Fachmagazin "Auto, Motor und Sport".
Für Gerhard Berger ist sein langjähriger Teamkollege bei McLaren "der charismatischste und der beste Rennfahrer", den er in seiner langen Laufbahn kennengelernt habe. "Mit Abstand", betonte der Österreicher. "Keiner war so schlau, so ehrgeizig, so konzentriert. Und das würde ich sogar auf Michael Schumacher und die heutige Generation mit Sebastian Vettel und Fernando Alonso ausweiten."STERN PAID Michael Schumacher 15.00
Schumacher, der persönlich keine enge Beziehung zu Senna hatte, nahm dessen Tod ebenfalls stark mit. "Ich war mir eine Zeit lang nicht mehr sicher, ob ich weiterhin Rennfahrer sein kann und will, ob ich so weiterfahren kann wie zuvor", sagte er zwei Wochen nach dem Horror-Wochenende von Imola.
Auch Ratzenberger starb am schwarzen Rennwochenende von San Marino
Sennas Tod war nur der traurige Tiefpunkt eines schrecklichen Rennwochenendes. Rubens Barrichello hatte im ersten Zeittraining am Freitag einen spektakulären Flug mit seinem Jordan-Hart in einen Fangzaun wie durch ein Wunder ohne große Verletzungen überstanden. Am Samstag verunglückte Roland Ratzenberger bei seinem erst dritten Grand Prix im Abschlusstraining tödlich. Wegen eines gebrochenen Flügels an seinem Simtek-Ford raste der 33 Jahre alte Österreicher mit 314 km/h vor der Tosa-Kurve frontal in die Betonbegrenzung.
Beim Europa-Auftakt am Sonntag knallte es schon beim Start das erste Mal heftig: Der Portugiese Pedro Lamy krachte mit voller Wucht in den stehen gebliebenen Benetton des Finnen JJ Lehto. Durch umherfliegende Fahrzeugteile erlitten neun Zuschauer Verletzungen. Das Rennen wurde hinter dem Safety Car neutralisiert – kurz nach dem Neustart passierte dann die Katastrophe mit Senna.
Aber auch danach ging der dritte Saisonlauf trotz aller Betroffenheit und allen Entsetzens nach 30 Minuten Unterbrechung weiter. Schumacher glückte im Benetton-Ford sein dritter Sieg. "Ich kann mich über den Sieg nicht im geringsten freuen. Hoffentlich kommt so etwas nie wieder vor", sagte Schumacher bei der anschließenden Pressekonferenz.
Schließlich zogen sich nach einem Boxenstopp von Michele Alboreto in der 49. Runde auch noch vier Mechaniker durch ein sich lösendes Rad Verletzungen zu. Außerdem wurden Zuschauer durch ein über das Tribünendach fliegendes Rad verletzt.
Ayrton Senna wirkte ernst und bedrückt
Senna hatte Ratzenbergers Tod sehr mitgenommen. Der Champ wollte den ebenfalls in die Maggiore-Klinik geflogenen Kollegen besuchen, was ihm untersagt wurde. Vor dem Rennen ging Senna an die Unfallstelle. Schon das ganze Wochenende wirkte Senna äußerst ernst und beinahe bedrückt.
Nach zwei Ausfällen in den Rennen zuvor stand Senna zudem sportlich enorm unter Druck. Der klare Titelfavorit war zu Saisonbeginn zum Weltmeister-Team Williams gewechselt, um dort als Nachfolger seines früheren Teamkollegen und Intimfeindes Alain Prost ebenfalls seinen vierten WM-Triumph perfekt zu machen. "Ich hoffe, dass für mich die WM jetzt in Imola erst richtig anfängt", sagte er vor dem Grand Prix im "Autodromo Enzo e Dino Ferrari". Es sollte auf schreckliche Weise ganz anders kommen.
Was danach verbessert wurde: Autos und Kurse sicherer
Michael Schumachers Bruder Ralf war damals, als es passierte, auf dem Weg in die Formel 1. Zweifel seien ihm nicht gekommen, erinnerte er sich jetzt, zum 30. Jahrestag, an das schreckliche Wochenende von Imola in einem dpa-Gespräch. Es habe irgendwie surreal gewirkt, unvorstellbar. "Dass so etwas passiert, war einfach unglaublich schlimm. Es hat damals gezeigt, dass in Sachen Sicherheit noch sehr viel zu tun war", sagte er.
Auch weil Bruder Michael sich einsetzte und dabei vom damaligen Automobil-Weltverbandspräsidenten Max Mosley sowie Ecclestone unterstützt wurde, erhöhte die Formel 1 die Sicherheitsstandards deutlich. "Für die, wie mich, die danach in die Formel 1 eingestiegen sind, bedeuteten die nachfolgenden Verbesserungen dann ein großes Glück. Seien es die höheren Cockpits gewesen – früher haben ja noch die Schultern rausgeschaut – sei es das Hans-System gewesen oder andere Veränderungen. Da ist viel passiert, Gott sei Dank", sagte Ralf Schumacher.
Schwerste Unfälle gab es auch danach immer wieder. Wie der von Robert Kubica in Montreal 2007. Der Wagen war nur noch ein Wrack, drei der vier Räder abgerissen, die Front zerstört, das Heck ebenfalls. Der Pole überlebte den Crash dank der Sicherheitszelle aber nahezu unverletzt, setzte nur ein Rennen aus und gewann im Jahr darauf in Kanada.Formel-1-Start: Auf diese Fahrer sollten sie am meisten achten16:53
Oder der Feuerunfall von Romain Grosjean in Bahrain. Nach 27 Sekunden entkam der Franzose 2020 den Flammen und seinem in zwei Teile gebrochenen Auto nach einem Einschlag in die Leitplanken. Dass er überlebte, verdankte er wohl auch der erhöhten Sicherheit in der Formel 1. Dazu gehört auch, dass jeder schwere Unfall detailliert analysiert und aufbereitet wird.
Der bislang letzte Unfall mit Todesfolge für einen Fahrer traf die Formel 1 2014 in Japan, als Jules Bianchi mit seinem Wagen unter einen Bergungskran rutschte. An den Folgen starb er im Sommer des folgenden Jahres.