Ludwigshafen: Der letzte Mieter im Rathaus-Center verliert vor Gericht
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Ludwigshafen. (lrs) Der letzte verbliebene Ladeninhaber im Ludwigshafener Rathaus-Center, Advar Tolu, hat keinen Anspruch darauf, dass alle Haupteingänge sowie ein Brandschutztor geöffnet bleiben. Ein entsprechender Eilantrag sei zurückgewiesen worden, teilte das Landgericht Frankenthal am Freitag mit. Die Stadt Ludwigshafen will das fast leer stehende Gebäude abreißen, geöffnet ist nur ein Eingang bei einem Schuhreparatur- und Schlüsseldienst.
Der Inhaber wollte vor Gericht erreichen, dass sämtliche Zugänge wieder geöffnet werden (RNZ vom 24. Januar). Ein entsprechender Anspruch bestehe nicht, entschied die Justiz. Das Geschäft sei über die verbleibende Tür gefahrlos zugänglich. Die anderen Haupteingänge und das Brandschutztor müssten geschlossen bleiben, denn in dem nicht zugänglichen Bereich fänden Baumaßnahmen statt.
Die Ludwigshafener Stadtverwaltung begrüßte das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. "Wir werden nun mit dem Mieter auf der Basis der heutigen Entscheidung Gespräche führen", kündigte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) an.
Update: Freitag, 28. Januar 2022, 19.47 Uhr
Warum der letzte Mieter im Rathaus-Center nicht geht
Von Alexander Albrecht
Ludwigshafen. Advar Tolu ist der letzte Ladenbetreiber im Ludwigshafener Rathaus-Center – dabei sollte auch er Ende vergangenen Jahres das zum Abriss freigegebene Einkaufszentrum verlassen haben. Trotz einer angebotenen Abfindung von 30.000 Euro will der Geschäftsmann nicht weichen und verweist auf seinen bis August 2023 gültigen Mietvertrag.
> Die Ausgangslage: Die Stadt Ludwigshafen hat im Frühjahr 2019 das Rathaus-Center – ein 15-stöckiger Büroturm für die Verwaltung und ein Einkaufszentrum – für mehr als 40 Millionen Euro gekauft. Eigentümer des Hochhauses war ein von der DWS-Gruppe verwalteter Immobilienfonds. Die Shoppingmall wurde von der ECE Projektmanagement GmbH betrieben – die auch in der unweit entfernten Rhein-Galerie das Sagen hat. Der Fonds hat das Rathaus-Center Ende vergangenen Jahres an die Kommune übergeben. "Vertragsgemäß", wie ein DWS-Sprecher der RNZ sagt. Die Stadt wiederum will den Gebäudekomplex Schritt für Schritt dem Boden gleichmachen. Bis 2026 soll das Rathaus-Center verschwunden sein – damit die marode Hochstraße Nord abgerissen und durch eine ebenerdige Straße (Helmut-Kohl-Allee) ersetzt werden kann.
> Der Mieter: Während Filialen großer Ketten in die Rhein-Galerie und kleinere Geschäfte unter anderem in die Ludwigstraße umgezogen sind und Leerstände beseitigten, weigert sich ein Mieter, das Rathaus-Center zu verlassen. Advar Tolu führt seit 2008 auf 18 Quadratmeter Fläche den Rapid Schuhreparatur- und Schlüsselservice. Der von seinem Vorgänger aufgebaute Betrieb existiert bereits seit der Eröffnung des Centers im Jahr 1979. Tolu pocht auf seinen Mietvertrag. Dieser verlängerte sich 2018 um fünf Jahre bis August 2023. DWS und ECE hatten es versäumt, den Vertrag zu kündigen. Der DWS-Sprecher bestätigt das genannte Ende des Mietverhältnisses.
> Der Streit: Tolu sagt, ihm seien Anfang 2020 von der DWS-Gruppe zunächst 2000, dann 3000 Euro dafür angeboten worden, dass er den Laden schließt. "Eine Frechheit hoch zehn war das", schimpft der 44-jährige Mann, der sechsmal pro Woche mit der Bahn von seinem Wohnort Heilbronn nach Ludwigshafen pendelt. Die DWS unterbreitete weitere Angebote, die letzte Abfindung lag Ende 2021 bei 30.000 Euro. Doch auch dieses Angebot schlug Tolu aus. "Für 30.000 Euro bekomme ich doch nicht einmal eine Ladentheke", betont der Geschäftsmann, alleine der Rückbau würde bis zu 7000 Euro verschlingen und müsste er aus eigener Tasche zahlen.
Wobei Tolu einräumt, dass er den zuletzt vorgeschlagenen Betrag vor zwei Jahren vermutlich angenommen hätte. "Stattdessen wollte man mich billig abspeisen." Und in der Zwischenzeit hätten ihm DWS-Vertreter und in einem persönlichen Gespräch auch Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck damit gedroht, ihn notfalls zu enteignen.
Tolu hat sich schlau gemacht und weiß, dass das juristisch wohl möglich ist. Aber ein solches Vorgehen koste Zeit – die die Stadt mittelfristig eigentlich nicht hat. Der Rahmen für den Abriss des Rathauses und den Bau der Helmut-Kohl-Allee sind relativ straff vorgegeben. Tolu sieht sich am längeren Hebel, "denn solange ich hier bin, kann die Stadt den Nordflügel nicht plattmachen".
> Die Schmerzgrenze: "Ich zahle im Moment drauf, und meine Mutti macht sich wegen der gespenstischen Atmosphäre hier Sorgen um mich", sagt Tolu, ein vierfacher Familienvater. Andere bewunderten den Mut, dass er das "wirklich durchziehen" wolle. Sollte ihm die Stadt als neue Eigentümerin des Centers doch noch ein Angebot machen, das er grundsätzlich nicht ablehnen könne, will er die Entscheidung in die Hände seiner Kunden legen und sie im Internet darüber abstimmen lassen. "Ich sage zu nichts mehr Ja oder Nein", betont Tolu. Er würde sogar so weit gehen, einen Kredit aufzunehmen und bis zum Ende des Mietverhältnisses weitermachen. "Liebe Kunden, wir sind für sie da bis 2023", hat er in Großbuchstaben trotzig auf ein Schild geschrieben und an die Scheibe seines Betriebs angebracht.
> Die Stadt: Ein Sprecher will sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Nur so viel: Experten hätten im ehemaligen Einkaufszentrum mit Schadstoffuntersuchungen begonnen. Man liege "voll im Zeitplan", die Arbeiten schritten voran. Tolu glaubt, dass sich in der Verwaltung tatsächlich Nervosität breitmacht. "Die haben doch niemals damit gerechnet, dass ich standhaft bleibe."
> Das Gericht: Tolu ist in die Offensive gegangen und will mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass sämtliche Zugänge zum Rathaus-Center wieder öffnen. Aktuell gelangt die Kundschaft nur über einen Seiteneingang zu dem Schuhreparatur- und Schlüsselservice. Wenn überhaupt jemand kommt. Tolu hatte zwar einen Kundenstamm, und seine Geschäfte liefen seinen Angaben zufolge "sehr gut", im Internet steht allerdings, dass das Rathaus-Center geschlossen hat, was viele abhält. Vertreter der Stadt und er treffen sich am kommenden Dienstag, 25. Januar, zu einem Gütetermin am Frankenthaler Landgericht. Sollte es dem Richter nicht gelingen, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, kommt es zu einem Prozess.