"Heilbronn ist Kult": Werden Musiker von der Stadt Heilbronn ausgenutzt?
Heilbronn. (bfk) Rund 70 Veranstaltungen finden im Rahmen von "Heilbronn ist Kult" demnächst statt. Es ist eine Neuauflage der letztjährigen Veranstaltung, unter dem Eindruck der Corona-Pandemie kurzfristig auf die Beine gestellt, dann auch sehr erfolgreich durchgezogen – so erfolgreich, dass man gleich danach von einer Wiederholung 2021 sprach. Das ist nun der Fall. Das Programm, erstellt vom Schul- und Kulturamt der Stadt, ist wieder eine echte Bereicherung der Kulturszene.
"Bereichernd" war es ebenfalls, dass auch die "Bundesstiftung Kultur" das Heilbronner Projekt für förderungswürdig erachtete. Aus dem dafür bereitgestellten 30-Millionen-Fonds der Bundesstiftung gibt es nun 109.000 Euro. Der Heilbronner SPD-Abgeordnete Josip Juratovic schrieb dazu: "Dass ,Heilbronn ist Kult’ durch Bundesmittel gestützt wird, ist gut und richtig. So wird nicht nur das kulturelle Leben in Heilbronn wieder angefahren, sondern auch Künstler*innen unter die Arme gegriffen, die im vergangenen Jahr unter enormen finanziellen Einbußen leiden mussten."
Das aber ist der Knackpunkt. Werden diese Mittel tatsächlich dazu verwendet, den "Künstlern unter die Arme zu greifen"? Auf Nachfrage sagte Karin Schüttler, Leiterin des Schul-, Kultur- und Sportamtes: "Dem Antrag (auf Bundesmittel, Anm. d. Red.) liegt eine Kostenkalkulation zugrunde, die wir nicht aufblähen können. Die Gesamtkosten übersteigen die Fördersumme. Somit hilft uns die Förderung grundsätzlich für die Finanzierung des Projekts. Wir werden die ,eingesparten’ städtischen Mittel in den sonstigen kulturellen Projekten gut unterbringen", denn die Jubiläumsreihe Ludwig Pfau ist ja auch noch zu finanzieren.
Bei der Kalkulation für "Heilbronn ist Kult" hat man die Eintrittspreise bewusst niedrig angesetzt, ist aber auch "automatisch" davon ausgegangen, dass beispielsweise die Musiker des Württembergischen Kammerorchesters (WKO) zum gleichen Honorarsatz wie 2020 spielen werden: für 250 Euro brutto, ohne Aufkommen von Fahrtkosten für auswärtige, freischaffende Künstler, etwa Bläser; das WKO ist ja ein reines Streichensemble. Ein Konzert-Auftritt erfordert von jedem Musiker ein Minimum an 20 Arbeitsstunden: Studium der Partitur, üben, mindestens drei Proben bis zum Auftritt. Da lässt sich der "Stundensatz" leicht ausrechnen. Es bleibt auch die Frage, ob man Tontechniker oder Bühnenarbeiter ebenfalls mit einer Pauschale "abspeist".
Bei der Stiftung in Berlin, die die Vorgaben zum Einsatz ihrer Mittel etwas schwammig definierte ("Mit dem Kultursommer leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, die Künste und das Kulturleben in Stadt und Land wiederzubeleben"), hat man inzwischen nicht nur amüsiert die in Heilbronn praktizierte "schwäbische Sparsamkeit" zur Kenntnis genommen. Formell ist es zudem so: Engagiert für "Heilbronn ist Kult" wurde nicht etwa das WKO, also das Orchester, auch wenn dieser Eindruck beispielsweise in der Werbung erweckt wird, sondern einzelne Musiker mit einem von ihnen gestalteten Programm. Einen Vertrag dazu gibt es bis dato nicht.
Wären die Musiker nur aufs Geld aus, dann hätten sie ihr letztjähriges Honorar, damals in Eile und mit viel Good-Will vereinbart, kaum an die Heilbronner Bürgerstiftung gespendet – mit der Auflage, freischaffenden Kollegen zu helfen. Nun unterstützt die Bürgerstiftung ihrerseits "Heilbronn ist Kult" mit 12.000 Euro. Der Kultursommer sei auch Ausdruck von Wertschätzung für die Kreativen und eine Anerkennung dafür, wie sehr sie unser Gemeinwesen bereichern, so heißt es dazu aus Berlin.
Exakt um diese "Wertschätzung" geht es auch den Musikern des WKO. Nicht alles ist mit Geld zu bezahlen, aber die Honorierung ist auch ein Ausdruck davon. Professor Thomas Bayon, Rektor der GGS der Dieter-Schwarz-Stiftung (Bildungscampus) ist seit einigen Monaten auch der Stiftungsratsvorsitzende des WKO. Angefragt zu dieser Problematik, sagte er, er setze sich im Rahmen seiner Tätigkeit "für eine faire und wertschätzende gehaltliche Honorierung" der Musiker für ihre Tätigkeit für das WKO ein. Und: "Dies impliziert einen entsprechenden Einsatz meinerseits gegenüber der Stadt Heilbronn als eine Hauptförderin des WKO." Allerdings verweist er auch darauf: "In der von Ihnen angesprochenen Thematik ,Heilbronn ist Kult’ handelt es sich um ein privates und kein dienstliches Engagement von Musiker*innen des WKO. Es treten Musiker*innen des WKO, aber nicht das WKO als solches auf. Die jeweiligen Konditionen werden dementsprechend zwischen den Musiker*innen und dem/r Veranstalter/in direkt und vertraulich verhandelt." Und dann ergänzt Bayron noch: "Generell halte ich eine faire Honorierung von Musiker*innen und anderen Künstler*innen für sehr wichtig und setze mich hierfür an den relevanten Stellen auch aktiv ein."
Bei der Stadt Heilbronn aber ist man dazu offensichtlich bisher nicht bereit, nicht einmal eine kleine "symbolische" Geste gab es in diese Richtung. Läge Heilbronn im Land Brandenburg, wäre das alles tariflich geklärt, dann hätten die Musiker Anspruch auf ein Minimal-Honorar von 915,69 Euro, bezogen auf den untersten TVK D-Tarif für Musiker in Konzert- und Theater-Orchestern. Und es würde zutreffen, wie es dazu auch heißt: "Auch das Arbeitsrecht für den Orchesterbereich ist in die allgemeine Rechtsordnung integriert."