M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Deutschland ist abgesagt. Von geringen Risiken und großen Nebenwirkungen
Deutschland nimmt AstraZeneca von der Karte. Imagemäßig dürfte das Serum nun auf einem Level mit Jens Spahn liegen. Viele fragen sich, ob man statt des Impfstoffs nicht lieber den Gesundheitsminister aussetzen kann.
Was haben Millionen Impfdosen und Millionen Deutsche gemeinsam? Sie können liegen bleiben. Niemand braucht sie.
Es ist Mitte März, und ich bin noch nicht einmal mehr wütend. Ich bin einfach müde. Der Impfgipfel ist abgesagt. Und das gesamte Jahr 2021 gleich mit. Es wäre langsam mal an der Zeit für eine RICHTIG gute Nachricht.kurzbio beisenherz
Stattdessen gibt es frohe Botschaften mit der Substanz ungedeckter Schecks. So wie die "vorsichtigen Lockerungen" vor anderthalb Wochen, die ein derart sinnloses Zurasen auf die bereits gelbe Inzidenzen-Ampel bedeutete, sodass manche von uns die neue Lockerheit aus Zeitgründen zu verpassen drohen.
So zählen viele mit dem morgendlichen Blick auf die steigenden Inzidenzzahl mit, wann dieser Frühling dann endlich auch offiziell abgesagt ist. From Count- to Lockdown. Oder wie auch immer man diesen Zustand nennen will, in dem sich Deutschland nunmehr seit einem Jahr befindet.
Shutdown. Lockdown. Wellenbrecher Shutdown. Lockdown Light. Lockerungen Light. Sie wissen ja, wie gut Light-Produkte schmecken. Keine Konsequenz. Keine Stringenz. Keine Geschlossenheit - bis auf Restaurants und Bars natürlich. Ein Kompromiss-Management der Zermürbungsklasse A.
Sehen Sie im Video: Zahl der Neuinfektionen steigt rasant – drei Bundesländer mit Inzidenz über 100.
Deutschland nimmt AstraZeneca von der Karte
Pragmatisches, unbürokratisches Handeln, so scheint es, beherrschten zuletzt nur die Christkleptokraten bei der zügigen Bereicherung an hochdotierten Maskendeals. Und ausgerechnet Armin "van Laack" Laschet soll diesen Laden in den Griff kriegen, während die Bevölkerung sich brav an alle Regeln halten soll. Weil wir nach einem Jahr Rasenmäherpolitik leider, leider keine anderen Mittel zur Verfügung haben.PAID Astrazeneca Blutgerinnsel 12.02
Die Schnelltests wurden lediglich schnell angekündigt, sodass die neue Pilgerstätte für Kranke und Besorgte plötzlich Aldi heißt. Impfstoff ist erst zu wenig bestellt worden, und wer sich einen Termin für ebendiesen geben lassen will, muss einen Prozess durchlaufen, schwieriger als sich bei 1&1 abzumelden. Nur, um bei der Ankunft kurz vor der rettenden Spritze hören zu müssen, dass der Termin abgesagt worden ist.
Deutschland nimmt AstraZeneca von der Karte. Das ist für dieses ohnehin nicht großartig beleumundete Vakzin so ziemlich das Letzte, was es PR-technisch gebrauchen konnte. Imagemäßig dürfte das Serum nun auf einem Level mit Jens Spahn liegen.
Jens Spahn wird zum Watschenminister des Frühjahrs
Diesem wurde die Entscheidung, mit der Impfung auszusetzen, bis die Ursachen für die ungewöhnliche Häufung von Thrombosen in Zusammenhang geklärt sind, heftig um die Ohren gehauen. Viele fragen sich, ob man statt AstraZeneca nicht lieber Jens Spahn aussetzen kann. Irgendwo.
Dabei war diese Entscheidung, so unschön sie ist, die richtige. Seit Monaten wird gemahnt "hört auf die Wissenschaft". Hier tut er es und wird endgültig zum Watschenminister des Frühjahrs. Stellen wir uns einfach vor, dass die Informationen über ungeklärte AstraZeneca-Thrombosefälle sich wie Aerosole wild durch sämtliche Familien-WhatsApp-Gruppen verteilt hätten - wie viele Termine wären dann wohl verfallen?
Natürlich muss man solchen Auffälligkeiten nachgehen, bevor man die Bevölkerung einem Risiko aussetzt. Als so klein es sich nun auch herausstellen mag. Zumal das Ganze a) auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Institutes geschehen ist und b) kein abseitiger Spleen des Crazy-Health-Hasardeurs Spahn ist, sondern eine Linie, die ein halbes Dutzend europäischer Länder verfolgen.
Viele wünschen sich Karl Lauterbach
Auch, wenn es natürlich gut zu einem Land passt, dem der seltsame Fetisch Risikovermeidung und bürokratische Selbststrangulation auf die Füße zu fallen droht, während in Tel Aviv schon wieder gefeiert wird. Dass die (minimalen) Risiken einer AstraZeneca-Impfung auf der großen Bühne statt in Chatgruppen verhandelt werden, ist gut und richtig, um zeitnah und mit Sicherheit weiterimpfen zu können.
Derweil will die genervte Bevölkerung den glücklosen Gesundheitsminister gerne durch Karl Lauterbach austauschen - was nicht nur damit zu tun hat, dass sich dieser gegen die Aussetzung der Risiko-Impfung ausgesprochen hatte. (Gleichsam ohne Jens Spahn dabei unter den Bus zu werfen)
Vielmehr steht der Mann für eine seltene Mischung aus Expertise und Leidenschaft, mit der nur wenige ihre Ministerämter noch ausfüllen, während die Kanzlerin bereits unter Long Covid zu leiden scheint. Es geht ihm um die Sache. Und das an mehreren Orten gleichzeitig, so wirkt es.
Gegen den salzlosen Asketen war Gandhi ein geradezu maßloser Hedonist
Der Mann ist kompetent und denkt konstruktiv, wo andere einen pandemischen Kippschalter zwischen Öffnen und Schließen eingebaut zu haben scheinen. Oder eben eine Chance wittern, beim Wettlauf mit Corona noch ein Geldgerinnsel aufs eigene Konto wandern zu lassen. "Visionen statt Provisionen", wenn man so will.
Eine interessante Wandlung, wo der Mann noch vor einem Jahr mehr verlacht oder verhasst wurde. Geht man nach dem berühmten Zitat "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du", ist Lauterbach jetzt sowas wie der Gandhi aus Düren. Wenngleich Gandhi gegen den salzlosen Asketen natürlich ein geradezu maßloser Hedonist war.
Dass die SPD diesen Mann nicht viel enger an sich bindet und mit ihm wirbt, verwundert wenig bei einer Partei, deren Führung sich lieber öffentlich für Parteimitglieder schämt und einen Kanzlerkandidaten aufstellt, den sie vorher noch verhindern wollten.
Statt Bungeesprung einmal AstraZeneca, bitte
Und AstraZeneca? Das dürfte recht bald hinter den Impfzentren containert werden. Oder im TK Maxx verramscht an all jene, die das geringe Thromboserisiko nicht zu schocken vermag. Sätze wie "Ich würde mich mit AstraZeneca impfen lassen" sind die neue Tollkühnheit. Menschen schenken sich demnächst Jochen-Schweizer-Gutscheine. Statt Bungeesprung einmal AstraZeneca, bitte.
Wir halten fest: Die sieben Fälle entsprechen etwa vier Fällen pro einer Million Geimpfter seit Start der Impfungen Anfang Februar. Das Risiko liegt also bei 1:250.000. Statistisch gesehen ist es also um ein Vielfaches wahrscheinlicher, dass Andi Scheuer politisch irgendetwas gelingt, als dass es nach der Impfung mit AstraZeneca zu Komplikationen kommt.
Sehen Sie im Video: Wie erkennt man die Nebenwirkungen? Arzt gibt Infos zum Astrazeneca-Impfstoff.
Wenn das kein Vertrauen schafft, dann weiß ich es wirklich nicht. Davon könnten wir reichlich gebrauchen. In einer Situation, die wenig hoffnungsstiftend ist. Bis dahin blicken wir schmachtend wie Hunde vor der Metzgerei Richtung Israel, freuen uns gönnerhaft über die Bilder aus Tel Aviv und hoffen darauf, es ihnen bald gleichzutun.
Und bis dahin heißt es für Deutschland: Wir müssen leider drinnen bleiben.