Gastronomie: Keine Lust mehr auf Sterneküche: Warum ein Koch nach 28 Jahren auf die Michelin-Sterne pfeift
28 Jahre lang hielt Spitzenkoch Martin Scharff einen Michelin-Stern. Einst als Jüngster in ganz Deutschland. Im März verteilt der Guide Michelin wieder seine Sterne. Warum das Scharff in diesem Jahr nicht interessiert.
Eigentlich ist ein Michelin-Stern für einen Küchenchef die Krönung seines Schaffens und auf jeden Fall ein Grund zu feiern. Manche Köche arbeiten ihr ganzes Leben auf die begehrte Auszeichnung hin. Andere wiederum können mit dem Firlefanz gar nichts anfangen. Anfang März verteilt der Guide Michelin wieder seine Sterne, viele Spitzenköche werden gespannt auf die Verkündung warten. Wird es ein neues Drei-Sterne-Restaurant in Deutschland geben? Werden die Köche ihre Sterne halten können? Nur einen wird es nicht sonderlich interessieren: Martin Scharff.
Christian Bau Sternekoch 16.25Seit über 28 Jahren hat er den Michelin-Stern behaupten können. Doch mit Beginn des neuen Jahres wird sein Restaurant Schlossweinstube im Schloss Heidelberg einmal auf den Kopf gestellt. "Ich möchte zurück zu meinen eigentlichen Wurzeln, mir wieder mehr Freiheit schaffen, ohne die Grundlagen der Sterneküche berücksichtigen zu müssen", sagt er in einem Statement, das er auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Seine Gerichte sind von seinen Reisen inspiriert. Er ist immer auf der Suche nach neuen Rezepten, Produkten und auch Gewürzen. Aber wie sich die Sterneküche entwickelt, damit kann er sich nicht mehr identifizieren.
"Für mich ist das mittlerweile schon eine sehr optische Uniformität und hat oftmals nichts mehr mit klassischem Handwerk zu tun. Ich möchte weg von der verspielten Dekoriererei und wieder zurück zum Basis-Geschmack mit erstklassigen Produkten", sagt Scharff.
Auch andere Spitzenköche pfeifen auf die Sterne
Sterneboykott_20.30Der Koch ist nicht der Einzige, der mit dem Konzept des Guide Michelins nichts mehr anfangen kann. Im September 2017 kündigte der französische Koch Sébastien Bras an, die drei Sterne seines Gourmetrestaurants "Le Suquet" in Laguiole in der Auvergne abgeben zu wollen. In der Branche sorgte dieser Schritt für Aufsehen. Er begründete sein Vorhaben damals mit dem "Druck", den die höchsten Küchenweihen bedeuten.
Auch Maria Groß - einst eine der jüngsten Sterneköchinnen - verließ ihr Sterne-Restaurant, als sie merkte, dass sie immer mehr zum "Arschloch" wurde. Zudem wollte sie den Druck nicht mehr an ihre Mitarbeiter abgeben. Groß widmet sich heute wieder ihrer Heimat Thüringen, arbeitet mit lokalen Produzenten zusammen und kocht, wie sie es am liebsten mag. Ohne Druck. Ohne Sternezirkus.
So will es auch Martin Scharff zukünftig halten: Auf der Speisekarte stehen dann keine Gerichte mehr, die mit Pinzetten angerichtet werden müssen, sondern seine Lieblingsgerichte. Wie beispielsweise Variationen vom Kalb oder klassische Schmorgerichte - aber auch weltoffene Speisen wie Ceviche von der Odenwälder Lachsforelle. Er nennt es "eine saisonale und regionale Geschmacksküche im Dialog mit der Welt". Und auch preislich will Scharff sich wieder in die Herzen der Einheimischen kochen - und nicht nur Touristen anlocken. So soll es ein regionales Drei-Gänge-Menü für etwa 50 Euro sowie das Degustationsmenü für unter 100 Euro geben. Gerichte von der Speisekarte gibt es ab 24 Euro.