Mit Eventisierung und Allianzen gegen den Niedergang des linearen TVs – die Screenforce-Bilanz 2019
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Wenn zwei Trends bei den diesjährigen Screenforce Days der deutschen TV-Branche deutlich wurden, dann sind es der Trend zu mehr Eigenproduktionen und selbst geschaffenen Events - und der Trend, Allianzen zu formen, um den großen Digital-Giganten gemeinsam im Werbemarkt Paroli zu bieten. Beide Trends sind für eine Branche, deren lineare Zuschauerzahlen schrumpfen, alternativlos.
Allianzen waren an den beiden Tagen in Köln vielerorts zu erkennen. Das fängt an beim gemeinsamen Streaming-Dienst joyn von Discovery und ProSiebenSat.1 und geht bis zu d-force, dem Addressable-TV-Joint-Venture von ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL, das noch vor einem Jahr wohl völlig undenkbar gewesen wäre. Gerade diese Kooperation zeigt, wie sehr die Branche unter Druck steht. Facebook und Google dominieren im Werbemarkt, das erfolgsverwöhnte Fernsehen verlor in Deutschland in den ersten fünf Monaten des Jahres erstmals seit 2002 Brutto-Werbeumsatz. Um diesen Negativ-Trend zu stoppen ist ein gemeinsames Auftreten dringend nötig.
Das hat auch Bertelsmann begriffen, das RTL nicht nur bei d-force in eine Allianz schickt, sondern auch innerhalb des Konzerns. Zum einen in die AdAlliance, einer gemeinsamen Vermarktung mit Gruner+Jahr und dem Spiegel. Für dieses neue Konstrukt verzichtete man auf den Screenforce Days sogar erstmals überhaupt auf die traditionsreiche Vermarktungs-Marke IP Deutschland. Doch auch hier scheint die Allianz beinahe alternativlos, wenn man die schwindenden Werbeumsätze bei Print und TV zumindest stabilisieren will. Dazu soll auch die Bertelsmann Content Alliance beitragen, die zweite Allianz, in der RTL ein wichtiger Teil ist. Sie wird gemeinsam Inhalte für alle Produktsparten umsetzen: vom Buch und dem Print-Magazin über TV-Sendungen bis hin zu Podcasts und Musik. Mit diesen beiden Allianzen sorgte Bertelsmann bei den Screenforce Days für Eindruck und zeigte, dass man einiges vor hat in der näheren Zukunft.
Auch inhaltlich waren die überraschendsten und vielversprechendsten Ansätze bei RTL zu sehen. Zum “Talk of the Town” wird man sicher durch die angekündigte Übertragung einer OP am offenen Herzen und auch durch “Die Passion” mit Popmusik zu Ostern. Solche selbst geschaffenen Events bringen noch Publikum zum Fernsehen – siehe auch das aktuelle Beispiel “Joko & Klaas gegen ProSieben” bei der Konkurrenz.
Auch andernorts hat man verstärkt begriffen, dass die Bedeutung des linearen Fernsehens nicht mehr durch das Abspielen von Lizenzware zu retten ist, die es an jeder Ecke im Netz auch zeitunabhängig gibt, sondern nur durch Inhalte, die es woanders nicht gibt. Auch kleinere Anbieter sehen, dass “live” und “selbst produziert” wichtig sind. Comedy Central beispielsweise mit seiner deutschen Version der legendären Show “Roast”. Oder Servus TV mit seinen Live-Rechten an der MotoGP-Rennserie. Oder Eurosport mit aufwändigen Olympia-Übertragungen.
Im Fiction-Genre verdrängen die Eigenproduktionen zunehmend die Lizenzware. Wohl nie zuvor gab es so wenige Trailer mit Hollywood-Serien und -Filmen bei Screenforce Days und deren Vorgänger-Veranstaltungen zu sehen wie 2019. Auch bei den Serien waren die spannendsten Ideen bei RTL zu sehen: die Podcast-Verfilmung “Faking Hitler” zum “stern”-Skandal mit den Hitler-Tagebüchern ist hier zu nennen – und die Crime-Drama-Serie “Der König von Palma” mit Henning Baum.