Weinheim: In 169 Familien 3437 Stunden lang geholfen
Von Günther Grosch
Weinheim. Und es gibt sie doch: Neben den "Gelben Engeln" des ADAC für in Not geratene Autofahrer sind es auf der anderen Seite des Alphabets die ehrenamtlich Tätigen von "wellcome", die dort helfend eingreifen und zur Stelle sind, wo junge Familien mit einem Kind im ersten Lebensjahr Unterstützung benötigen. Seit sieben Jahren gibt es das im Diakonischen Werk Weinheim angesiedelte Projekt. Harriet Rappmund, Leiterin des Angebots, zog dieser Tage vor der Presse eine beeindruckende Bilanz.
Das Projekt "wellcome", das an 42 Standorten in Baden-Württemberg vertreten ist, reagiere auf gesellschaftliche Probleme wie den demografischen Wandel und die erhöhte Mobilität junger Familien und schließe eine Lücke, erläuterte Rappmund. Die Mitarbeiter bewirken unter anderem, dass erschöpfte Eltern sich erholen können und fördern damit zugleich eine positive Eltern-Kind-Beziehung. "Denn Eltern, die sich überlastet fühlen, sind nur schwer in der Lage, sich feinfühlig auf die Bedürfnisse des Babys einzustellen."
Daneben soll die Freude am Baby erhalten bleiben. Stellt die Geburt eines Kindes doch nicht nur ein freudiges Ereignis dar. Sie beinhaltet auch eine echte Herausforderung, die in der aktuellen gesellschaftlichen Situation nicht immer privat bewältigt werden kann. Elf Ehrenamtliche sind derzeit für "wellcome" im Einsatz. Allein im vergangenen Jahr profitierten im Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim 27 Familien und 52 Kinder. In insgesamt 438 Stunden trugen die Ehrenamtlichen zur Entlastung der Erziehungsberechtigten bei. Sie spielten mit den Geschwistern, während die Mutter sich um den Säugling kümmern oder Haushaltsarbeiten erledigen konnte.
Bei anderer Gelegenheit, etwa bei Zwillingsgeburten, wurde die Mutter zum Kinderarzt begleitet. Oder man übernahm die Betreuung des Säuglings, während die Mutter mit den Geschwisterkindern an musischen oder sportlichen Kursen teilnahm oder wichtige Termine erledigen konnte.
"In belasteten Familien, mit mehreren noch sehr kleinen, manchmal zu früh geborenen oder kranken Kindern ist diese Form der Unterstützung sehr entlastend für die Eltern", haben die Ehrenamtlichen erfahren. "Finden Mutter und Vater über einen längeren Zeitraum durch das Neugeborene nicht ausreichend Schlaf, bedeuten die zwei bis drei Stunden pro Woche, in denen wir kommen, einen Moment des Durchatmens, um neue Kraft zu tanken."
Die Dauer eines Einsatzes richtet sich nach dem individuellen Bedarf der Familie. Erfahrungsgemäß sind dies etwa drei bis vier Monate. Auf keinen Fall aber ist die gewährte praktische Hilfe nach der Geburt ein Ersatz für Hebammen, Sozialpädagogen oder andere Fachkräfte. "Vor allem aber keine Vermittlung von Haushaltshilfen, kein Babysitter-Ersatz und auch kein Notruf", rückt Rappmund falsche Vorstellungen zurecht.
Für die Familie entsteht in der Regel pro Stunde ein Eigenanteil von fünf Euro. Dieser Anteil kann aber bei finanziellen Engpässen reduziert oder ganz erlassen werden. Rappmund: "Die Unterstützung durch ,wellcome‘ soll nicht an fehlendem Geld scheitern."
In den sieben Jahren seit dem Bestehen von "wellcome" haben die in der Spitze bis zu 15 Ehrenamtlichen an 169 Familien von einem bis zu sieben Kindern 3437 Stunden Unterstützung verschenkt. Was Erich Prosche von der Weinheimer Firma "be well - Mobile Massage am Arbeitsplatz" - zum Anlass nahm, allen Helferinnen zur Belohnung ihres Tuns jeweils eine kostenlose Massage zukommen zu lassen.
Durch die Weinheimer Ehrenamtsbörse "Kontaktpunkt" war eine der "Ehrenamtlichen der ersten Stunde" auf "wellcome" aufmerksam geworden. "Ich wollte nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben etwas mit Kindern machen. Aber nicht als Leihoma", schildert sie die Anfänge. Mittlerweile war sie bereits bei gut zehn Familien tätig. "Ein- bis zweimal pro Woche für zwei Stunden und jeweils für ein Vierteljahr."
Zu manchen der "Ehemaligen" bestünden immer noch herzliche Kontakte, macht eine andere deutlich: "Es waren immer wunderbare Erfahrungen und nie unangenehme Einsätze." Für sie wie alle anderen Beteiligten gilt nach wie vor: "Wenn man etwas freiwillig gibt, bekommt man auch immer etwas zurück."
Dass noch sehr viel mehr Ehrenamtliche benötigt werden, verhehlt Rappmund nicht. Sie bekomme fast täglich neue Anfragen und arbeitet derzeit mit einer Warteliste von einem halben Dutzend Familien. Vielen jungen Müttern verleihe es Sicherheit, wenn man ihnen aus der eigenen Erfahrung heraus Stabilität gebe, macht eine andere "Mutter auf Zeit" deutlich. Vor allem nehme es ihnen die Angst, Fehler zu machen.
Für Rappmund am Ende noch ganz wichtig, dass auch dies "rüberkommt": Ob alleinerziehend oder in Paarbeziehung lebend. "Auch Väter dürfen ,wellcome‘ in Anspruch nehmen."
Info: Wer das Angebot "wellcome" unterstützen will oder selbst Hilfe benötigt, wendet sich an Harriet Rappmund, Schwangerenberatung Diakonie, Telefon 06201/ 9 02 90.