Terrorverdacht: Erddepot mit Waffen, Pläne für Anschlag auf Juden – was wir über die Hamas-Festnahmen wissen
Sie sollten mutmaßlich für die Hamas Waffen aus einem Erddepot nach Berlin bringen – die für Anschläge auf jüdische Einrichtungen vorgesehen waren. Die Polizei hat vier Terrorverdächtige festgenommen. Das ist über den Schlag gegen die Islamisten bekannt.
Wer wurde festgenommen?
Der Einsatz ware eine konzertierte Aktion europäischer Sicherheitsbehörden nach monatelangen Ermittlungen, auch die GSG9 war beteiligt. In Berlin wurden drei Männer festgenommen: Abdelhamid al-A., Mohamed B. und Ibrahim al-R. In Rotterdam verhaftete die niederländische Polizei Nazih R. Gegen al-A., B. und R. liegen bereits Haftbefehle vor. Al-R. soll im Laufe dieses Freitags vor den Ermittlungsrichter kommen, der über die Untersuchungshaft entscheiden wird. Zudem wurden in Dänemark zwei Männer und eine junge Frau festgenommen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA gehen die Sicherheitsbehörden in Deutschland bislang nicht von gemeinsamen Plänen dieser Verdächtigen mit den in Rotterdam und Berlin Festgenommenen aus.
Hamas-Mitglieder in Berlin wegen Anschlagsplanung festgenommen
Was wird den Verdächtigen vorgeworfen?
Die Festnahmen in Dänemark sollen wegen des Verdacht der Vorbereitung eines Terrorangriffs erfolgt sein. Details dazu sind bislang nicht bekannt. Anders sieht es bei den Festnahmen in Deutschland und den Niederlanden aus. Hierzu erklärte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, dass die Beschuldigten der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung "dringend verdächtig" seien. Für den Fall einer Verurteilung sieht das Strafgesetzbuch bis zu zehn Jahre Gefängnis vor.
Konkret sollen die Männer seit Jahren Mitglieder der radikal-islamischen Terrorgruppe Hamas sein und sch an Auslandsoperationen der Vereinigung beteiligt haben. Anlass für den Zugriff der Behörden war offenbar, dass al-A. von Hamas-Führungskadern im Libanon damit beauftragt worden war, nach einem Erddepot mit Waffen in Europa zu suchen. Die Waffen sollten nach Erkenntnissen der Ermittler nach Berlin gebracht werden. Das mutmaßliche Ziel: Sie sollten für Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa verwendet werden. Die übrigen drei Verdächtigen sollen al-A. bei seiner Suche unterstützt haben – offenbar ohne Erfolg. Die Sicherheitsbehörden sagen nicht, um welche Art von und um wie viele Waffen es sich handelt, ist nicht bekannt. Auch ob sie möglicherweise sichergestellt wurden oder der Ort des Depots bekannt ist, teilten die Ermittler nicht mit. Es gilt eine hohe Geheimhaltungsstufe.
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Wie kamen die Ermittler den Männern auf die Spur?
Auch dazu gibt die Karlsruher Anklagebehörde keine Auskunft. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen kam ein erster Hinweis auf die vier Männern bereits im vergangenen Sommer – ob von Insidern oder beispielsweise einem ausländischen Geheimdienst, ist unklar.
Wie gefährlich ist die Hamas in Deutschland und Europa?
Erklärtes Ziel der Hamas ist es laut Generalbundesanwalt, Israel zu vernichten und zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan einen palästinensischen Staat unter Geltung der Scharia zu errichten. Der barbarische Überfall auf Israel vom 7. Oktober ist Ausweis dessen. Die jüngsten Festnahmen sollen allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit dem Terrorangriff stehen.
In Deutschland ist die Hamas – soweit bekannt – bisher nicht mit Anschlägen aufgefallen. Der Verfassungsschutz rechnet der Terrorgruppe in Deutschland rund 450 Personen zu. Ihnen gehe es hierzulande vor allem um zwei Ziele: "Zum einen versuchen sie über Spendensammlungen die Hames zu unterstützen. Zum anderen sind sie daran interessiert, den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland propalästinensisch im Sinne der Hamas zu beeinflussen", heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Dies geschehe auch auf Demonstrationen und in sozialen Medien durch antisemitische Äußerungen.
Deutschland und andere westlich Staaten gelten damit für die Hamas bisher vorrangig als "Rückzugsraum". Dass sich daran etwas geändert hat und nun auch hier Terrorakte der islamistischen Terroristen drohen, ist nach dem Bekanntwerden der Anschlagspläne auf jüdische Einrichtungen in Europa offenkundig, auch wenn das Vorhaben offenbar noch nicht konkret geplant war. "Die Gefahr ist real", sagt zum Beispiel der ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt in der "Tagesschau". Auch Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, warnte jüngst erneut eindringlich vor Gefahren des islamistischen Terrorismus.
Was hat es mit den Erddepots für Waffen auf sich?
Wer seine Waffen nicht zuhause lagern will, greift auf Erddepots zurück – dies war auch eine Strategie der Roten Armee Fraktion (RAF), die vor allem in den 1970er und 1980 Jahren linksextremen Terror in Deutschland verbreitete. Oftmals werden diese Lager für einen längeren Zeitraum, mitunter für etliche Jahre, angelegt. Sie wiederzuentdecken gestaltet sich für Mitglieder von Terrororganisationen teils schwierig: "Es gibt aus der Zeit der RAF Erddepots, die auch in Karten verzeichnet sind, die bis heute nicht gefunden worden sind. Weil Natur sich verändert, weil sich Gegebenheiten verändern, weil Erinnerungen verschwimmen", erklärte der Terrorismusexperte Schmidt. Wie viele solcher Waffendepots in Deutschland existieren, weiß niemand.
Wie sind die Reaktionen auf die Festnahmen?
"Mein Dank gilt allen Beteiligten, die mit diesem Ermittlungserfolg ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass Jüdinnen und Juden in Europa weiterhin in Sicherheit und Frieden leben können", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). "Wir müssen daher alles dafür tun, damit Jüdinnen und Juden in unserem Land nicht abermals um ihre Sicherheit fürchten müssen." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die Festnahmen zeigten, "dass unsere Sicherheitsbehörden äußerst wachsam sind und konsequent handeln". "Wir haben die islamistische Szene im Visier." Der israelische Botschafter Ron Prosor teilte mit: "Wir haben es immer befürchtet - nun wissen wir es: Die Hamas und ihre Handlanger haben Anschläge in Europa geplant. Unser Dank gilt den Sicherheitsbehörden, die uns dieses Mal geschützt haben." Man müsse weiter aufmerksam sein, um den Terroristen immer einen Schritt voraus zu sein.
Quellen: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Strafgesetzbuch, Bundesamt für Verfassungsschutz (1), Bundesamt für Verfassungsschutz (2), "Tagesschau", Nachrichtenagenturen DPA und AFP