Solidarität: Von Spargelernten bis zu Botengängen: Wie Amateurvereine in der Corona-Krise mit anpacken
Das Coronavirus hat den Spielbetrieb nicht nur in der Fußball-Bundesliga lahmgelegt. Auch in den Amateurklassen rollt der Ball derzeit nicht. Die Vereine nutzen die fußballfreie Zeit und rufen Hilfsaktionen ins Leben.
Normalerweise hilft Patrick Maurer seinem Verein, dem TSV Landshut-Auloh, mit Toren. Fünfmal in zehn Spielen hat der Stürmer in dieser Saison für den Tabellenfünften der A-Klasse im Kreis Niederbayern West bereits eingenetzt. Ob mehr Treffer dazukommen werden, ist ungewiss. Das Coronavirus hat den Spielbetrieb in allen Amateurligen lahmgelegt.
Doch Maurer ist momentan trotzdem für seinen Verein im Einsatz. Nur hilft er nicht mehr seiner Mannschaft, sondern Senioren, Menschen mit Vorerkrankungen oder chronisch Kranken – Covid-19-Risikopatienten. Unter dem Motto #HelfenStattTrainieren bieten die Spieler der ersten und zweiten Mannschaft des TSV Landshut-Auloh ihre Unterstützung an. Sie erledigen Wocheneinkäufe, Botengänge oder gehen mit dem Hund Gassi. Alles unentgeltlich.PAID STERN 2020_15 Geld oder Leben 13.05
"Wir wollen die spielfreie Zeit nutzen, um für die Auloher Bürger da zu sein", erzählt Maurer dem stern am Telefon. Auf die Idee sei der Abteilungsleiter Fußball, Florian Fleckenstein, gekommen. Maurer habe daraufhin versprochen, die Organisation zu übernehmen: "Ich bin Erzieher und habe gerade mehr Freizeit als sonst." 22 Aufträge hätten sie bereits erledigt, sagt Maurer. "Die Resonanz ist bislang durchgehend positiv gewesen."
"Wir wollen Gutes tun"
Fünf Autostunden entfernt, in der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Hermeskeil unweit des Saarlands, hatte man einen ähnlichen Einfall. Die erste Mannschaft des Hermeskeiler SV diskutierte in ihrer Whatsapp-Gruppe, wie man sich in der fußballfreien Zeit solidarisch zeigen könnte. Dann kam man auch hier auf die Idee, die sogenannte Risikogruppe zu unterstützen, indem man Einkäufe oder Botengänge erledige.
Facebook 01Dafür verfasste das Team Facebook- sowie Instagram-Postings und hängte in der Gemeinde Plakate auf. "Wir wollen Gutes tun – und mit anpacken", verrät Lars Dengler, 31, dem stern. Er ist Spieler und Beisitzer des Vorstands des Hermeskeiler SV. Zwar hätten noch nicht so viele das Angebot wahrgenommen, aber darum gehe es auch nicht, sagt Dengler. "Viel wichtiger ist, dass die Menschen die Gewissheit haben: 'Im Notfall ist da jemand, der mir helfen kann.'"
Die beiden Amateurvereine sind nicht die einzigen, die sich in Zeiten des Coronavirus solidarisch zeigen. In der Hauptstadt gibt es laut Berliner Fußball-Verband inzwischen etwas mehr als ein halbes Dutzend Vereine, die Hilfsaktionen ins Leben gerufen haben. Dazu zählt auch die SpVgg Blau Weiß 90. Der Fünfligist wollte, nachdem auf vielen Portalen immer wieder von Nachbarschaftshilfe zu lesen war, auch seinen Beitrag leisten.
Spargelernten in Dresden – Einkaufshilfe in Berlin
Deshalb bietet die Spielvereinigung nun in den Berliner Bezirken Tempelhof und Mariendorf seine Dienste an, "um für ältere Menschen einkaufen zu gehen, die es selbst nicht mehr schaffen oder die aufgrund des Coronavirus Angst haben, vor die Tür zu gehen". Statt im Homeoffice ist Benjamin Henschke, der Leiter der Geschäftsstelle, nun wieder montags bis freitags von 10-12 Uhr im Büro und nimmt Anrufe entgegen.
"Eine ältere Frau hatte sich bei uns sich erkundigt, ob wir für sie auch im Falle einer Coronavirus-Erkrankung ihre Einkäufe übernehmen könnten", erzählt er. Und fügt hinzu: "Es geht letztendlich darum, etwas Sinnvolles zur aktuellen Situation beizusteuern. Das ist unser Ansatz."
Eine ganz besondere Idee hatten die Spieler der SG Gebergrund Goppeln, ein Fußballverein aus der Nähe von Dresden. Weil Helfer aus Polen oder Rumänien derzeit nicht einreisen können, wissen viele Bauern nicht, wie sie ernten sollen. Damit das Obst und Gemüse auf den Feldern nicht vergammelt, boten die Kicker über Ebay-Kleinanzeigen ihre Dienste an. Vergangene Woche standen sie auf einem Spargelfeld – und tauschten den Ball am Fuß gegen die Hacke in der Hand.
Wie viele Amateurvereine in Deutschland solche Hilfeaktionen ins Leben gerufen haben, ist nicht dokumentiert. Die vier genannten Beispiele scheinen aber keine Einzelfälle zu sein, wie ein Bericht des DFB zeigt. Mit anderen Worten: Auf dem Fußballplatz mögen die Vereine Amateure sein, aber abseits dessen sind sie Solidaritätsprofis.