Erdogan ist dabei, die große Stärke des Westens zunichtezumachen — und niemand kann ihn stoppen
Als sich im April 1949 zwölf Staaten dies- und jenseits des Atlantiks zusammentaten, um das Verteidigungsbündnis Nato zu gründen, hielten sie eines gleich in der Präambel fest. „[Die vertragschließenden Staaten] sind entschlossen, ihre Bemühungen um eine gemeinsame Verteidigung und um die Erhaltung von Frieden und Sicherheit zu vereinigen“, schrieben sie. Gemäß dem Motto: Alleingänge sind zu vermeiden. Nur gemeinsam sind wir stark. Das sollte die große Stärke des Westens werden.
Tatsächlich hielten sich die Nato-Partner im Kalten Krieg im Großen und Ganzen an ihr Versprechen. Wenn es hart auf hart kam, hielten sie zusammen. Da konnte der große Rivale Sowjetunion samt seinem Militärbündnis Warschauer Pakt tun, was er wollte.
Erdogan scheint Russland Nato-Partnern vorzuziehen
Auch jetzt betonen Nato-Verantwortliche gern, wie einig die Allianz sei. Dabei lassen sich die Risse nur noch schwer überdecken. Vor allem ein Land scheint sich um die viel beschworene Einigkeit der Nato immer weniger zu scheren: die Türkei. Trotz Warnungen ließ sie sich im Juli das russische Waffensystem S-400 liefern. Ohne Abstimmung mit der Nato startete sie im Oktober eine Offensive in Nordsyrien.
Beide Male schien es, als sei dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Zusammenarbeit mit dem geostrategischen Nato-Gegner Russland wichtiger als die mit den westlichen Verbündeten. Das alarmiert die Nato. Sie befürchtet, mit der Türkei einen ihrer wichtigsten geostrategischen Partner zu verlieren. Schließlich würde sie ohne das Land am Bosporus deutlich schwächer dastehen. Ein Überblick.
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Schwarzes Meer
Das Schwarze Meer hat in den vergangenen Jahren für die Nato an Bedeutung gewonnen, auch weil Russland dort deutlich mehr Präsenz zeigte. 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein. Seitdem besetzt Moskau die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien.
2014 nutzte Russland das Chaos in der Ukraine, um sich die ukrainische Halbinsel Krim einzuverleiben. Die russische Schwarzmeerflotte hat ihren Hauptstützpunkt in Sewastopol, der größten Stadt auf der Krim.
Die Türkei ist nicht der einzige Nato-Partner mit Zugang zum Schwarzen Meer. Da gibt es auch noch Rumänien und Bulgarien, die dem Bündnis 2004 beitraten. Trotzdem sind ihre Marinestreitkräfte weitaus kleiner als die der Türkei. „Kann sich die Nato im Konkurrenzkampf mit Russland nicht auf die Türkei verlassen, hat sie praktisch die wichtigste Seemacht im Schwarzen Meer verloren“, sagt Sicherheitsexperte Omar Lamrani von der US-Denkfabrik Stratfor im Gespräch mit Business Insider.
Die türkische Marine sei in diesem Fall sogar noch bedeutender als die US-Navy, fährt er fort. Amerika könne als Nichtanrainer etwa nur eine begrenzte Zahl von Kriegsschiffen ins Schwarze Meer schicken. Lamrani warnt: „Arbeitet die Türkei nicht mit [der Nato] zusammen, ist es [das Schwarze Meer] faktisch ein russisches Meer. Die einzige Bedrohung für die Russen im Schwarzen Meer ist die Türkei.“
Bosporus
Als Herrscher über den Bosporus fällt der Türkei eine Schlüsselrolle zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer zu. Sie überwacht, welche Kriegsschiffe die Meerenge passieren. „Historisch gesehen hat [die Türkei] dazu beigetragen, die Russen von wichtigen Ölregionen im Nahen und Mittleren Osten fernzuhalten“, sagt Lamrani.
Tatsächlich hat die Türkei nach dem Vertrag von Montreux das Recht, im Kriegsfall die Durchfahrt von ausländischen Kriegsschiffen durch den Bosporus zu untersagen. Sie könnte damit im Ernstfall die kürzeste Seeverbindung der russischen Schwarzmeerflotte zum einzigen russischen Mittelmeerstützpunkt im syrischen Tartus kappen — ein Druckmittel, das die Nato verlieren würde, sollte sich die Türkei vom Bündnis abwenden.
Griechenland
Dass Griechenland und die Türkei immer wieder aneinandergeraten, hat viele Gründe. Ihre Streitigkeiten sind auch keineswegs neu, sondern reichen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zurück. Oft geht es dann um Inseln, Wasserstraßen und Rohstoffvorkommen unter Wasser. Zu einem Krieg kam es in der jüngeren Vergangenheit aber auch deshalb nicht, weil beide Staaten der Nato angehören. Sollte die Türkei der Nato den Rücken kehren, würde ein militärischer Konflikt wahrscheinlicher. Das kann das Bündnis nicht wollen.
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